Mit Aktionen die Welt verändern

Was bewirken politische Aktionen? Können sie wegweisende Veränderungen in einem profitorientierten System hervorrufen, oder gar das System selbst verändern? Umweltaktivist Daniel Costantino über die Gründe, warum er schon seit Jahren bei Aktionen mitwirkt und was sie bezwecken (werden).

26. Juli. Ich besuche Daniel Costantino in Winterthur. Wie abgemacht: 15:00 Uhr am Bahnhof. Haupteingang. Rot-blau gestreiftes Shirt, schwarzes Velo. Er streckt mir mit einem warmen Lächeln die Hand entgegen. „Dani.“ Wir spazieren zum nächstgelegenen Café und setzen uns an ein schattiges Plätzchen. Ich erzähle ihm, was beim Klimastreik so läuft. Aktiv ist Dani momentan hauptsächlich bei “umverkehR”. Einen Tag pro Woche gibt er Gitarrenunterricht. Doch das war nicht immer so. Mit 20 schliesst er die Lehre als Maschinenzeichner ab, neun Jahre später bildet er sich zum Natur- und Umweltfachmann weiter und beginnt kurz darauf, bei Greenpeace zu arbeiten. Nach 15 Jahren verlässt er die Organisation. In seiner Laufbahn war er schon in rund 350 politischen Aktionen involviert. Hauptthemen: gegen Atommüll und den Betrieb und Neubau von AKW, Chemiemüll, Gentechnik, für den Schutz der Urwälder, der Meere und der Biodiversität – und für den Klimaschutz. «Wir gingen schon vor 20 Jahren für das Klima auf die Strasse— allerdings hat dies damals fast niemanden interessiert». 

Wo begann sein politisches Handeln? Mit sieben, an der italienischen  Küste. Jung Costantino stellt sich mutig zwischen eine Gruppe Sonnenbrandgefährdeter und eine gestrandeten Qualle. Schon damals zeigt er Herzblut für den Schutz der Natur. Doch sein erster Einsatz ist gleichzeitig auch sein erster Misserfolg: Trotz Zivilcourage des Siebenjährigen verliert die Qualle ihr Leben. Doch ist das eben auch Teil der Realität: Man weiss nie, was die Aktion bewirken wird.

Dani, welche Rolle spielen politische Aktionen im Kampf gegen die Umweltkrise? 

Aktionen sind ein Weg, um auf heikle Punkte im System hinzuweisen. So kann Fehlverhalten aufgezeigt werden. Oder man ist Zeuge am Ort des Geschehens und kann die Missstände dokumentieren und in die Welt hinaustragen. Mit den entsprechenden Forderungen können wir so Einfluss auf das System nehmen. Was sich definitiv ändern muss, sind die Praktiken vieler Banken und multinationaler Konzerne. Die Profitgier von heute ist unhaltbar. Auch viele Politiker*innen müssen in die Pflicht genommen werden. Viele sitzen in Verwaltungsräten von Firmen und politisieren in deren Interessen. Das kann und darf so nicht weitergehen. Der Raubbau und die Verschmutzung der Erde müssen ein Ende nehmen. Wir müssen ein Bewusstsein dafür fördern, dass wir Teil der Natur und von ihr abhängig sind. Wir alle müssen sehr schnell lernen, ein bescheideneres Leben zu führen. Es braucht klare, konkrete Veränderungen bei Banken, Konzernen, in der Politik und der Gesellschaft. Wenn im Herbst die Wahlen entsprechend ausfallen, kann sich plötzlich vieles ändern. Doch ein Wandel muss global stattfinden. Das ist eine immense Herausforderung, denn unser System ist komplex, und viele Bereiche stehen in Abhängigkeit zueinander. Wir können nicht einfach alles über den Haufen werfen. 

…und der Klimastreik? 

Ich bin allen, die sich für die Erde einsetzen, mit grosser Dankbarkeit verbunden. Der Klimastreik hat ein enormes Potential: Der bewusste Entscheid, an Freitagen auf die Strasse statt in die Schule zu gehen, macht hellhörig und rüttelt die Gesellschaft auf. Noch nie war der Klimaschutz dermassen weit oben auf der politischen Agenda. Die Klimastreikenden animieren sicher auch ihre Eltern zum Nachdenken und zu entsprechenden Handlungen. 

Der Klimastreik ist also mehr als Schule Schwänzen?

Definitiv! Klimastreiks weisen darauf hin, dass die Themen Klimawandel und Umweltschutz mit der höchsten Priorität zu behandeln sind. Ziviler Ungehorsam sorgt für die notwendige Aufmerksamkeit. Das ist bis jetzt sehr gut gelungen. Jetzt braucht es Taten seitens Politik, Banken, Konzernen und der Gesellschaft. Bis diese erfolgt sind, müsst ihr hartnäckig, mit viel Freude und Kreativität dranbleiben. 

…wie mit dem Klimagarten oder dem Klimafestival.

Zum Beispiel. Ihr zeigt auf, wie ihr Euch eine nachhaltige Lebensweise vorstellt und tragt aktiv dazu bei.

Von der Herstellung eines Monsters aus Plastikmüll bis zur Eingangsbelagerung von Novartis— du warst dort. Das hat aber nichts mit vorleben zu tun.

Ich versuche, möglichst umweltfreundlich zu leben. Die Aussenwelt lässt sich dadurch aber nur wenig beeindrucken. Hier braucht es schon einiges mehr. Aus diesem Grund war und bin ich immer noch an Aktionen dabei und setze mich auch im Beruf für eine lebenswerte Zukunft ein. Wichtig ist eine gewaltfreie Einstellung gegenüber allen Beteiligten, auch gegenüber der Polizei. Das unterstützt die Glaubwürdigkeit und hält den Fokus auf dem Thema. Ausserdem kann es Wunder bewirken, wie ich sie einige Male erleben durfte. So hatten sich zum Beispiel Polizist*innen dafür eingesetzt, dass wir keine Anzeige erhalten haben.

Ich komme nochmal zurück. Wir sollen das System an den Stellen nerven, wo’s lottert. Was wir aber brauchen, ist eine komplette Ummodellierung. Wenn eine einzelne Firma ihre Philosophie ändert, reicht das nicht.

Es ist wichtig, immer und immer wieder auf Stellen hinzuweisen, die sich ändern müssen. Eine komplette Ummodellierung ist aus meiner Sicht nicht zielführend. Es gibt vieles, das funktioniert und wir behalten sollten, denn die Zeit drängt. Wir sollten einen Wandel herbeiführen, ohne dass man plötzlich ohne Plan dasteht. Einige Dinge müssen sich aber definitiv radikal ändern. Dazu braucht es uns alle. Ich glaube daran, dass eine Veränderung möglich ist. Schliesslich war auch Greta vor nicht allzu langer Zeit ein Einzelfall.

Céline Schwarz, 17 Jahre alt

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