Analyse einer historischen Bewegung: die schwarzen Fäuste von Otpor


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Wie erreicht eine Bewegung ihre Ziele? Diese Frage bleibt ohne Antwort. Wir können uns aber von vorherigen Bewegungen beeinflussen lassen, indem wir ihre Evolution und Strategien analysieren. Nehmen wir als Beispiel die serbische Bewegung Otpor.

Slobodan Milosevic

Otpor wird 1998 gegründet. Zu dieser Zeit gehört Serbien zur Föderativen Republik Jugoslawien, betroffen von den jugoslawischen Kriegen, die mit Präsident Milosevic, im Anschluss an die Unabhängigkeitserklärung von Kroatien und Slowenien, begannen.

Milosevic wird schnell vieler Tatsachen beschuldigt : Kriegsverbrechen in Kroatien und in Bosnien-Herzegowina, Völkermord und Korruption. Infolgedessen wurde rasch erkannt, wie ernsthaft die Situation war, einen Mann wie Milosevic an der Macht zu haben.  

Ausgangspunkt : die Universität von Belgrad

1998 hat Marianovic ein umstrittenes Gesetz verabschiedet : „The University Law“, welches die Autonomie der Universität von Belgrad beeinträchtigte. Im Oktober 1998 wurde dann die Volksbewegung Otpor gegründet. Am Anfang bestand sie hauptsächlich aus jungen Mitgliedern der demokratischen Partei und einigen, in Serbien aktiven Nichtregierungsorganisationen, sowie Studenten der beiden öffentlichen Universitäten von Belgrad.

Die erste Forderung der Gruppe war der Rücktritt des Dekans der Universität von Belgrad, welchem vorgeworfen wurde, die repressive Politik des Regimes zu fördern. Danach erregte die erste Aktion von Otpor Aufmerksamkeit. Vier Studentenaktivisten malten schwarze Fäuste auf die Fassaden der Universität. Sie wurden deshalb verhaftet und zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Dieses Urteil ist vom Volk nicht unbemerkt geblieben und für die Situation als unpassend betrachtet worden. Nach dem Widerruf des Dekans folgt eine Verbreitung der Bewegung im ganzen Land. Das war der erste Sieg der Bewegung.

Die Strategien und Werte von Otpor

Die ersten Taten von Otpor waren Protestakte und hatten zum Ziel, Aufmerksamkeit zu erregen. So „schmückten“ die Aktivisten zum Beispiel nachts die Mauern der Stadt Belgrad mit auffälligen Slogans. Danach wurde ihre Handlungsweise, gestützt auf folgenden drei Grundlagen,  ausgearbeitet:

  1. Einheit: Das Verhältnis zwischen den Mitgliedern von Otpor war auf einer horizontalen Struktur aufgebaut. So wurde die Gleichstellung unter den Aktivisten gewährleistet. Das Ziel war, als einheitliche Organisation dem serbischen Präsidenten gegenüber zu stehen.
  2. Gewaltlose Disziplin: Dank dieser Haltung war die Meinung des Volkes Otpor gegenüber eher positiv, wodurch dann der Rekrutierungsraum erweitert werden konnte. Die zukünftigen Aktionen konnten mit diesem Image auch leichter organisiert werden.
  3. Planung: Die Erklärung über die Zukunft von Serbien ermöglichte die Organisation der Bewegung. In diesem Dokument konnten sich alle Mitglieder von Otpor über die Handlungsmethoden, die zu erreichenden Ziele und die zu lösenden Probleme, informieren. Dank der Planung wurden Zusammenhalt zwischen den Mitgliedern sowie Identität und Wille der Bewegung für alle klar und deutlich sichergestellt.

Die von der Bewegung gemeinsam bestimmten Ziele waren die Demokratisierung von Serbien und der Sturz der Regierung von Milosevic. Dank dieser Grundfeste konnten sich die verschiedenen Strategien der Bewegung entwickeln.

Offensives Vorgehen : Otpor begann mit symbolischen Aktionen die Aufmerksamkeit des Volkes zu erwecken. Dieses offensive Vorgehen entsprach der Organisation von konkreten Aktionen. Sie organisierten die Aktionen so, dass die verschiedenen, im ganzen Land zu verteilenden Aufgaben in einem Aktionsplan aufgelistet wurden, um damit das Spektrum der Regierungsgegnern zu erweitern und die strategischen Vorschläge ausländischer Unterstützungen zu berücksichtigen. So konnten sie diese Taktiken ihrer Situation anpassen. Dank dieser Methode und der vielen konkreten und klaren Aktionen, konnten die verstreuten Aktivisten gegenüber der Politik von Milosevic vereint und koordiniert handeln. Otpor machte dem Volk klar, dass ein Regierungswechsel unvermeidbar war. 

Stärke in der Anzahl: Otpor hatte begriffen, dass der Sieg über Milosevic nur möglich war indem sich die Gegner vereinigten. Deshalb wollte die Bewegung erstmals mit sehr vielen Aktivisten zusammenarbeiten. Um die Ränge zu erweitern, hat Otpor Popularisierungskampagnen organisiert, insbesondere im Jahre 1999, indem sie auf Plakaten, bekannte Darsteller mit erhobenen Fäusten zeigten. Die Stärke lag in der Anzahl. 

Ausnutzung der Wahlen: Otpor hat von den serbischen Präsidentschaftswahlen im Jahre 2000 profitiert. Die Strategie bestand aus drei Teilen. Sie nutzen den Glaubwürdigkeitsverlust der Regierung von Milosevic aus, um alle serbischen Bürger zu mobilisieren. Dann überzeugten sie die serbische Jugend, welche zu diesem Zeitpunkt kein Interesse für die Politik zeigte, abzustimmen. Die Vision der Einheit wurde wieder aufgegriffen, der Widerstand gegenüber Milosevic durfte nicht gespalten sein. Schlussendlich hat Otpor die hauptsächlichen Fehler der Politik von Milosevic deutlich hervorgehoben, um zu verhindern, dass diese in den zukünftigen Wahlkampagnen wiederholt wurden.

Das Image der Bewegung: Einerseits gab die Bewegung ein positives Bild von sich, um die Rekrutierung der Aktivisten zu beschleunigen und die Unterstützung des Volkes zu erhalten. Die Bewegung stand da wie ein Opfer der politischen Autorität. Sie wurde sogar wegen ihrer gewaltlosen Disziplin verspottet, wie C.Miller(Spencer 2001) sagte : „Als Kinder in den kleinen Städten verhaftet wurden […], die Leute wussten dass die Kinder aus der Nachbarschaft keine Terroristen waren“. Mit diesem positiven Bild zeigte sich Otpor dem Volk als eine erfolgreiche Bewegung. Auf der anderen Seite organisierten sie negative Kampagnen, um in einer humorvollen Art die Absurdität der Regierung zu betonen. Dies lockerte die Stimmung innerhalb der Bewegung auf.

Entwicklung der externen Unterstützung: Otpor bestand aus einer grossen und verschiedenartigen Mitgliedergruppe und erhielt auch Unterstützung externer Bewegungen. Es ging hier um Entwicklung und Öffnung. Einige strategische Siege von Otpor konnten so dank externer Hilfe errungen werden, zum Beispiel mit der Beanspruchung von nationalen und internationalen Meinungsinstituten und Kommunikationsagenturen, um die Strategie der Kommunikation (Verteilung von Flugblättern und Klebern) zu optimisieren. 

Kommunikationsstrategie: Die Kommunikationsstrategie wurde hauptsächlich während den Wahlen angewendet. Die erste Kampagne hatte zum Ziel dem Volk zu zeigen, dass ein Regierungswechsel mit Demonstrationen des Volkes unvermeidbar war. Die zweite Kampagne bestand darin, die Jugend zum Abstimmen zu bewegen.

Weshalb war Otpor erfolgreich ? 

Die Bewegung hatte ihre Ziele erreicht. Milosevic wurde an den Präsidentschaftswahlen vom 5 Oktober 2000 mit seiner Regierung gestürzt. Die Demokratisierung von Serbien begann mit der Wahl von Kostunica, welcher der demokratischen Oppositionspartei Serbiens angehörte.

Welche Strategien waren am erfolgreichsten? In erster Linie war die Tatsache, dass die Ziele klar definierte wurden, am wichtigsten. Die Bewegung zeigte dem Volk nicht nur ihren Willen sondern auch ihre Entwicklung und Fortschritte. Otpor gelang es, innerhalb der Bewegung, mit allen die gleichen Werte zu teilen : Einheit, Toleranz und Gewaltlosigkeit. Dadurch konnten, innerhalb Otpor, gewisse Regeln festgesetzt werden. Ferner stützte sich die serbische Bewegung in ihrer Funktion auf die Planung der Aktionen und die Verteilung der verschiedenen Aufgaben. Alle diese Aktionen hatten ein bestimmtes Ziel. Schlussendlich gehörte die Bewegung wegen ihrer Popularität zur serbischen Mainstream Kultur.

Das Ende der Bewegung

Nach den Wahlen im Jahre 2000 nahmen die Aktionen und die Mitglieder der Bewegung nach und nach ab. Otpor fuhr trotzdem weiterhin fort, die Politik zu überwachen, insbesondere um jegliche Korruption zu verhindern. 

Nach Bekanntgabe der Parlamentswahlen vom 23. Dezember 2003, wird Otpor am 19. November eine politische Partei, ohne offiziell einen Parteivorsitzenden zu nominieren. Während den Wahlen erreicht Otpor jedoch nicht die nötigen 5% um ins Parlament zu kommen. 

Im Jahre 2004 ist das Ende von Otpor, die Bewegung wird ein Teil der demokratischen Partei Serbiens. Einige empfanden dies wie ein Scheitern der Bewegung. 

Das Erbe von Otpor

Zusätzlich zu seiner hauptsächlichen Rolle beim Sturz von Milosevic, wurde Otpor zum Vorbild für andere jugendliche Bewegungen in Osteuropa. In der Tat konnten die, im zivilen Widerstand ausgebildeten Mitglieder von Otpor, Mitglieder verschiedener Bewegungen in den Nachbarländern ausbilden.

Die Bewegung hatte auch die Organisation und Planung einiger Revolutionen des arabischen Frühlings geprägt, zum Beispiel indem sie den jungen Bewegungen in Ägypten halfen.

Schlussfolgerung

Otpor war strategisch, effizient, klar, offen, gewaltlos und vereint. Seine Laufbahn war im Allgemeinen positiv und erfolgreich. Sogar einige Jahre danach waren die Aktivisten eine Inspiration für andere. Einige Fragen bleiben ohne absolute Antwort: Was ist mit dem Ende von Otpor und seinem politischen Morphing? Wie weit kann man auf diese Art zusammenarbeiten? Wie kann man ein solches Erbe hinterlassen und sein Wissen vermitteln?

Mila Frey, Aktivist/in

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