Der grüne Kapitalismus – ein Widerspruch in sich?

Die Auswirkungen des Kapitalismus auf das Klima beschäftigt die Weltgemeinschaft schon seit mehreren Jahrzehnten. Diese wurden unter anderem an der Konferenz der vereinten Nationen über die Umwelt des Menschen 1972 heftig diskutiert. Die Schlussfolgerung war, dass das Paradigma vom Wirtschaftswachstum verantwortlich für die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen ist. 15 Jahre später, im Jahre 1987, erschien der Brundtland Report, in dem propagiert wurde, dass das Wirtschaftswachstum nicht das Problem der ökologischen Krise sei, sondern die Lösung dafür. Von nun an dominierte das «grüne Wachstum» die Agenden der weltweiten Staatengemeinschaft. Daraus stellt sich die Frage, was denn nun das wirkliche Problem sei. Ist es die grundlegende Struktur des Kapitalismus oder brauchen wir einfach einen grünen Kapitalismus?

Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, definieren wir zunächst den Kapitalismus und seine Mechanismen. Hier lehnen wir uns an die marxistische Wirtschaftstheorie. Denn diese hat das Verständnis des Begriffes seit dem Beginn der Industrialisierung im 19. Jahrhundert entscheidend geprägt. Die Industrialisierung brachte den sozialen und ökologischen Umbruch, der unsere Lebensweise bis heute dominiert. Die ökologischen Auswirkungen widerspiegeln sich bis heute unter anderem in den exponentiell angestiegenen Werten der CO2-Konzentration oder der Anzahl Überschwemmungen im Vergleich zu vorindustrieller Zeit (siehe Grafik).  

Die Mechanismen

Im Folgenden werden 5 wichtige Elemente des Kapitalismus erläutert, damit wir die Zusammenhänge innerhalb des Systems verstehen können. Die Elemente sind Profitmaximierung, Akkumulation, Konkurrenz, Überproduktion und Wachstum (hier eine Grafik, die die Beziehung dieser 5 aufzeigt).
Für diese theoretische Betrachtung ist es entscheidend, dass der Kapitalismus nicht in erster Linie Gebrauchswerte zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse, sondern Tauschwerte zur Maximierung der Profite und der Akkumulation von Kapital erzeugt. Eine Firma produziert also ein Auto nicht dafür, dass jemand dieses Auto dann gebrauchen kann und von A nach B kommt, sondern in erster Linie, um das Auto zu verkaufen. Dabei versucht die Firma, einen Profit zu erzielen. Dieser Profit wird von einer Minderheit der Bevölkerung angeeignet: von den Eigentümer*innen der Produktionsmittel – den Besitzer*innen oder Aktionär*innen dieser Firma. Sie beuten die Arbeitskraft der Arbeitenden für einen Lohn aus, der niedriger ist als der Wert, der von den Arbeitskräften hergestellten Produkte. Nur so können Profite maximiert werden, um so wieder mehr Kapital zu akkumulieren. Das Kapital wird dann wieder genutzt um weitere Güter und Dienstleistungen zu produzieren.

Die Eigentümer*innen der Produktionsmittel stehen untereinander permanent in einem Konkurrenzkampf. Neben der Firma A, die Autos macht, gibt es noch viele weitere Firmen, die dasselbe tun. Die Konkurrenz zwingt alle von ihnen dazu, ständig zu versuchen, möglichst viele Autos zu verkaufen. Denn wer weniger verkauft, generiert weniger Profite. Die Produktion der Autos soll mit möglichst effizienten Maschinen durchgeführt werden, damit die Produktivität zu gleichen Kosten gesteigert werden kann. Indem immer mehr produziert wird – aus Angst, sonst Vorteile gegenüber der Konkurrenz zu verlieren – werden Anreize zur Überproduktion geschaffen.

Im andauernden Konkurrenzkampf gilt es zudem die Produktionskosten möglichst tief zu halten. Zum einen gelingt dies durch effizientere Technologien und zum anderen durch die Skaleneffekte. Das heisst, je mehr Autos produziert werden, desto weniger kostet es, das einzelne Auto zu produzieren. Zum Beispiel werden so die Fixkosten, wie der Betrieb der Maschinen, auf mehr Autos aufgeteilt und deshalb kostet es weniger, eine Einheit zu produzieren. Aus diesem Grund lohnt es sich, möglichst viel zu produzieren, was wiederum Anreize zur Überproduktion schafft. 

Die Akkumulation (von Kapital), der Konkurrenzkampf und die Überproduktion, angetrieben von der Profitmaximierung, führen unweigerlich zum Wachstumszwang. Denn diese Mechanismen funktionieren nicht, ohne dass kontinuierlich neue Märkte erschlossen und neue Ressourcen gebraucht werden. Die überproduzierten Produkte können nicht mehr auf den gesättigten Märkten abgesetzt werden und brauchen deshalb neue Märkte, wo sie verkauft werden können. So kann neues Kapital akkumuliert werden, um weiterhin das Ziel der Profitmaximierung zu verfolgen.  

Kapitalismus und Klima

Diese Mechanismen führen dazu, dass übermässig viele natürliche Ressourcen zur Produktion verschwendet werden. So werden die ökologischen Grenzen bei Weitem überschritten und wirken sich negativ auf unser Ökosystem aus. Diese negativen Auswirkungen – die sogenannten externen Kosten – werden von den Marktakteuren in ihrem Produktionsprozess nicht einberechnet. Es gelten nur die Kosten, welche direkt an Material- und Arbeitskosten anfallen. Indem die Akteure ihre Verantwortung für die Auswirkungen ihrer Produktionsweise nicht tragen, muss die gesamte Gesellschaft und die Ökologie diese auf sich nehmen.

Der «Produktivismus» (produzieren um zu produzieren, was konsumieren um zu konsumieren erfordert) ist also von Anfang an eine Eigenheit des Kapitalismus. Der bürgerliche Ökonom Joseph Schumpeter hat das sehr einfach ausgedrückt: «Ein Kapitalismus ohne Wachstum ist ein Widerspruch in sich.»

Der Kapitalismus ist in vielerlei Hinsicht ein sehr effizientes System. Er verbessert die Arbeitsproduktivität und die Effizienz der Nutzung der natürlichen Ressourcen kontinuierlich. Deshalb sieht die Mainstream-Ökonomie die Lösung in einem «grünen» Kapitalismus, in welchem bessere Technologien die natürlichen Ressourcen effizienter nutzen. Auf diese Weise sollte unsere Wirtschaft immer noch wachsen können, während der Verbrauch von natürlichen Ressourcen relativ zur Wirtschaft langsamer wächst. Allerdings haben wir inzwischen die Ökologie so erschöpft, dass jeglicher Anstieg des Verbrauchs von natürlichen Ressourcen nicht zu verkraften ist. Deshalb: wenn schon für Wachstum plädiert wird, sollte auf eine absolute Entkopplung gesetzt werden. Hier sollte die Wirtschaft weiter wachsen, während der Ressourcenverbrauch in absoluten Zahlen sinkt. Doch  den Ressourcenverbrauch zu senken, ist in einem auf Wachstum ausgelegten System – wie dem Kapitalismus – nicht möglich. Denn Wirtschaftswachstum verbraucht unweigerlich mehr Ressourcen, selbst wenn unsere Technologien noch so effizient sind. Die Effizienzsteigerung bringt nämlich auch Tücken mit sich. Dadurch, dass effizienter produziert wird, werden Ressourcen eingespart. Diese eingesparten Ressourcen können wieder eingesetzt werden, entweder um von den gleichen Gütern mehr zu produzieren, oder um andere Güter zu produzieren. Folglich werden gleich viele oder sogar noch mehr Ressourcen verbraucht. Dies ist der sogenannte «Rebound-Effekt». Alles in allem führt der Kapitalismus zu einer immer weiter verschärften Plünderung der natürlichen Ressourcen.

Dabei ist entscheidend, dass diese Krise zwischen Menschheit und Natur – eine Dimension davon ist die Klimakatastrophe – nicht den Eigenheiten des Menschen geschuldet ist. Es geht nicht darum, dass der «Mensch halt so ist», dass er angeblich egoistisch oder zerstörerisch oder im schlimmsten Fall gar wie eine «Krankheit» für den Planeten ist. Die ökologische Krise ist der kapitalistischen Produktionsweise geschuldet, was eine kapitalistische Weise des Konsums einschliesst, und der darin beinhalteten Ideologie des «immer mehr».

Gibt es Alternativen zum Kapitalismus?

Die oben beschriebenen Mechanismen sind Hauptteile der Struktur des Kapitalismus, die kein nachhaltiges System für die Ökologie und die Menschen kreieren können. Deshalb braucht es eine Abwendung vom Kapitalismus. Viele soziale Bewegungen und andere ökonomische Ansätze schaffen Ideen wie alternative Systeme zum Kapitalismus aussehen können. Entscheidend dabei ist, dass nicht die Wirtschaft die Interessen der Gesellschaft und der Ökologie dominiert. Sondern die Gesellschaft und die Ökologie sollen die Funktion und die Dominanz der Wirtschaft definieren. Im Folgenden werden zwei Ansätze erläutert, bei denen die Gesellschaft die entscheidende Macht hat die ökologischen Kapazitäten einzuhalten.

Die «Degrowth» Bewegung ist im europäischen Kontext in den Anfängen des 20. Jahrhunderts entstanden. Wie der Name suggeriert, steht das Wachstum im Fokus. Zentral dabei ist, dass wir uns vom Glauben ans Wachstum lösen. Dabei müssen wir unsere Werte und wie wir uns ausdrücken hinterfragen und neu definieren. Zwei weitere Elemente sind die Handhabung von Wachstum und die demokratische Partizipation. Die Wirtschaft soll weltweit schrumpfen, allerdings sollen Menschen in Armut die Möglichkeit haben, nachhaltig durch lokale Lösungen zu wachsen, während die Wirtschaften der reichen Länder schrumpfen. Auf diese Art und Weise werden die Einkommen und der Wohlstand zwischen und in Ländern weltweit umverteilt. Das dritte Element der demokratischen Partizipation soll dazu führen, dass möglichst viele Menschen freiwillig in Entscheidungsprozesse eingebunden werden. Denn im Zentrum stehen das Wohlergehen und der Sinn des Lebens der Menschen. So wird eine neue Orientierung geschaffen, von der sich alle mehr angesprochen fühlen und sich so an gesellschaftlichen Entscheidungen beteiligen wollen. Es geht darum, den Menschen mehr Autonomie zu geben, damit sie sich nicht mehr mit einem System abgeben müssen, das ihnen in Form eines intransparenten bürokratischen Apparates den Weg verbaut. Ansätze wie das universelle Grundeinkommen werden von der Bewegung begrüsst. Der Staat bezahlt all seinen Bürger*innen einen bestimmten Grundbetrag aus, damit die Sozialleistungen gedeckt sind. Einkommen, das sich die Bürger*innen erarbeiten, steht ihnen zusätzlich zur Verfügung. Degrowth sieht diese als Möglichkeit, Beschäftigung und Wachstum zu entkoppeln. 

Ähnliche Grundwerte teilt Parecon. Diese Bewegung strebt nach einer ökologischeren, solidarischeren und demokratischeren Gesellschaft und zeigt uns mögliche Wege auf, wie wir dorthin gelangen. Dabei sind die Grundwerte der Gerechtigkeit und der Selbstverwaltung zentral. Ersterer Grundwert kritisiert den Besitz, weil dieser eine Minderheit der Gesellschaft mehr Entscheidungskraft verleiht. Stattdessen sollen nur Attribute eines Menschen anerkennt werden, die aus eigener Kraft verändert werden können. Der zweite Grundwert der Selbstverwaltung soll alle betroffenen Menschen in den Entscheidungsprozess einbinden. Wie zur Entscheidung gelangt wird, hängt von der Art der Entscheidung ab. Prozesse sollen flexibel und veränderbar bleiben, damit eine Institutionalisierung verhindert werden kann. Durch den Einbezug aller Betroffenen in einer ökonomischen Transaktion soll nur produziert werden, was konsumiert wird. So unterliegt die Struktur gar nicht erst dem Wachstumszwang. Eine vertiefte Diskussion zu Parecon findest du ab Seite dreissig Weitere Alternativen werden im Magazin ab Seite … diskutiert. 

Solange die Profitmaximierung, die Akkumulation von Kapital, der Konkurrenzgedanke, die Überproduktion und das Wachstum die Logik unserer Lebensweise dominieren, wird die Klimakrise nicht abzuwenden sein. Auch wenn der Kapitalismus möglichst ressourceneffizient gestaltet wird, führt der unumgängliche Wachstumszwang dazu, dass die Natur über ihre Kapazitäten hinaus ausgebeutet wird. Deshalb brauchen wir alternative Wege und Lösungen zum Kapitalismus, damit die Gesellschaft und die Umwelt in einer gesunden Beziehung zueinander stehen. Die Reflexion über alternative Grundwerte soll uns den Weg und Lösungen aufzeigen, die wir umsetzen können um eine solidarischere und ökologischere Zukunft für alle zu gestalten. Schlussendlich liegt es in der Hand der Menschheit jetzt zu beginnen. Lasst uns ans Werk gehen.   

Lea Trogrlic, hat Volkswirtschaftslehre studiert und ist im Vorstand der pluralen Ökonomie

Eine Antwort auf „Der grüne Kapitalismus – ein Widerspruch in sich?“

  1. Schon ganz zu Beginn des Artikels wird der Begriff Kapitalismus unter der marxistischen Lupe angeschaut. Ich erwarte von einer Bewegung die sich basisdemokratisch organisiert ein buntere Vorgehensweise. Das Pflänzchen erstickt in alten Dogmen, schwarz/Weiss Malerei giesst Öl in die Konfliktherde. Unsere Bevölkerung ist vielfältig, ich mag mich nicht in eine 1 Formel Definition zwängen, ich brauche mehr Öffnung und Luft und Freiheit. Eine eigene Meinung bilden erfordert Mut den Blick zu öffnen für das andere. Gerne würde ich mir Marx zu Gemüte führen, wenn auf der anderen Seite ebenfalls über den Tellerrand hinausgeschaut wird. Das spüre ich hier nicht. Leider.

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