Zorn und Affekt in der Politik


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Im kollektiven Gedächtnis sowie in Teilen der Philosophie sind Affekte nicht politisch. Denker wie Spinoza, Lordon oder auch Mouffe haben jedoch die Rolle, die die Affekte im sozialen Kampf und im politischen Aktivismus spielen, nachgewiesen.

In der kollektiven Wahrnehmung werden die Politik und die Affekte als Antagonisten gesehen. Vom antiken Griechenland bis zur heutigen Zeit, herrscht die Vorstellung vor, dass das einzige was die Gesellschaft zur ihrer Rettung braucht Vernunft und wieder nur Vernunft ist. Dieser Diskurs, den man manchmal auch in sozialen Bewegungen wieder findet, ist hegemonial und versteckt sich hinter dem Mantel der Wahrheit ist aber bei weitem nicht so exakt wie er vorgibt zu sein, man könnte sogar sagen, dass er falsch ist.

Ein anderer Diskurs, der heimtückischer und schmeichlerischer für das Herz ist, aber dennoch ebenso gefährlich ist, ist der von positivistischen Psychologen und Glücksökonomen gepredigte Diskurs, dass nur positive Affekte notwendig sind. Dabei werden der Zorn, die Traurigkeit und andere negative Affekte im besten Fall als Irrweg, im schlechtesten Fall als Anomalie stigmatisiert. Um eine Massenmobilisation zu erreichen, müssen diese Positionen mit Methode dekonstruiert werden.

Dazu ist es zunächst notwendig, die Objekte und Konzepte um die es geht zu verstehen und sie zu definieren. Was ist also ein Affekt? Ich werde hier keine komplexe Definition vornehmen, sondern lediglich eine einfache, die wie folgt lautet: Ein Affekt ist eine Empfindung, die den Körper und den Geist beeinflusst. Mit dieser Definition ist es mir möglich folgendes zu postulieren: Die Vernunft existiert nur durch die Determination eines Affektes. Ich verstehe, dass einige Leser*innen von diesem Postulat schockiert sind, dabei ist dies keinesfalls eine neue Idee, sie taucht bereits bei Spinoza auf und es mangelt ihr nicht an Belegen. Die Psychologie zeigt seit einiger Zeit, dass unsere Urteilsfähigkeit auf der Basis von unseren Affekten funktioniert und dass wir ohne die Affekte nicht dazu in der Lage wären einen Termin zu vereinbaren oder dass wir unser gesamtes Vermögen vollkommen zufällig auf eine Zahl beim Roulette setzen würden. Wenn wir das akzeptieren, dann bringt uns das zu zwei Reflexionen:

  1. Da wir die Dinge nur durch unsere Affekte beurteilen, ist die Politik keinesfalls rationales Handeln, sondern nur eine Dynamik von Affekten.
  2. Um eine Vielzahl zu überzeugen und in Bewegung zu setzen, muss man sich gezwungenermaßen die Affekte dieser Vielzahl zu nutzen machen.

Einige fragen sich mit Sicherheit, warum dieser Artikel geschrieben wurde und worin sein Nutzen im Klimakampf besteht, genauer gesagt, wie er zu einer Reflexion über die Strategie beitragen kann. Das ist sehr einfach zu beantworten: Ich habe festgestellt, dass die Klimaaktivisten hinsichtlich dieses Aspektes aus unterschiedlichen Gründen und in unterschiedlichen Formen oft die falsche Wahl getroffen haben. Der hauptsächliche Diskurs der von einigen Umweltaktivisten, alten wie neuen, gehalten wird kann man global als „wissenschaftlich“ oder „technisch“ bezeichnen, dieser Diskurs, durch seine wissenschaftliche Exaktheit gekennzeichnet, so hofft man setzt dann den Kollektivkörper in Bewegung, um der herannahenden Krise zu begegnen. „Man weint nicht vor Zahlen“ hat schon der Abbé Pierre mit einer gewissen Richtigkeit festgestellt. Denn ja, man kann niemanden überzeugen, ohne sich exzessiv der Affekte zu bedienen, schon gar nicht in der Politik oder im Aktivismus und auf diese Technik zu verzichten, heißt sich selbst zur Machtlosigkeit zu verurteilen. Um einen vorhergehenden Satz wieder zu benutzen: Die Politik ist keinesfalls rationales Handeln, sondern nur eine Dynamik von Affekten.Wir können nicht, wenn wir wirklich effizient sein wollen, wenn wir auf die Welt einen realen Einfluss haben, auf das Ansteuern der Affekte verzichten. Dies bringt uns zu der Frage, welchen dieser Affekte wir benutzen sollten. Die Thunbergist*innen dringen auf die Angst. Ich erachte diese Wahl als unangepasst, ja sogar als gefährlich und werde dies mit Hilfe des folgenden Syllogismus erörtern: Die Angst ist der Affekt der Flucht. Um die Klimakrise zu lösen, müssen wir gegen ein System kämpfen. Wenn wir die Klimakrise lösen wollen, dann dürfen wir nicht fliehen. Des Weiteren mache ich darauf aufmerksam, dass die Rechtspopulisten sich ebenfalls der Angst als Motor bedienen, um an Macht und Einfluss zu gewinnen, denn wie ein Kind, dass sich hinter seinen Eltern versteckt, kann ein Volk im Angstzustand versuchen sich hinter eine autoritäre Führungspersönlichkeit, die die nötige Stärke zu haben scheint um das was die Angst kreiert zu besiegen, zu flüchten. Dies kann allerdings auch eine taktische Wahl sein, wenn man der Ansicht ist, dass lediglich eine grüne Diktatur oder ein ähnliches Regime in der Lage dazu ist der aufkommenden Katastrophe zu begegnen, aber dies ist eine Vorannahme, welche höchst gewagt ist.

Ein anderer Fehler wäre es, den Barden des Positivismus glauben zu schenken, da wir uns somit zur Machtlosigkeit verurteilen, denn es existiert nur ein einziger fundamentaler, positiver Affekt, die Freude, dieser tritt jedoch lediglich ein, wenn es Zufriedenheit gibt. Ebenso wie dies für die Angst der Fall ist führt man keinen Kampf, wenn die Situation zufriedenstellend ist. Es kommt zu keiner kollektiven Demonstration, wenn wir glücklich mit der Welt sind. Man greift keine Institutionen an, wenn der Magen gefüllt ist mit Freude. Nein es gibt nur einen einzigen Affekt, den wir benutzen können und sollten, falls wir die Klimakrise besiegen wollen. Dieser Affekt ist der Zorn und zwar aus einem einfachen Grund: Der Zorn ist der Affekt, den wir benutzen, wenn wir wollen, dass unser Körper sich seiner Kraft bemächtigt, um das Objekt unseres Zornes zu zerstören. Und die historischen Beispiele zeigen dies, die Revolutionen waren schon immer Momente des Zornes mit teilweise sehr klaren Motiven. Die Pariser Kommune von 1871 hat mit der Empörung über die Kapitulation gegenüber den Preußen und dem Versuch die nationalen Kanonen zu übernehmen, begonnen. Die Französische Revolution von 1789 findet in einem Klima des Zornes gegenüber den fiskalen Vorteilen, des Adels und des Klerus statt. Im Mai 68 und den Aufständen von heute die in aller Welt ausbrechen, kann man den Zorn aus den Gesichtern und auf den Transparenten lesen. Selbstverständlich ist der Zorn alleine nicht ausreichend, das ist mir bewusst. Was es braucht ist vor allem eine Reflektion über die Ursachen, die Gründe und die Herkunft unseres Zornes, um zu vermeiden die Symptome anzugreifen und ebenso ineffektiv zu sein, wie die Leute, die versuchen ihre Bäume wieder zum Blühen zu bringen, indem sie die Zweige beschneiden, obwohl es die Wurzeln sind, die vergammelt sind, oder der Boden, der giftig geworden ist. Des Weiteren müssen wir außerdem das Folgende vorbereiten. Wir müssen das, was das von uns Zerstörte ersetzen soll, so präzise wie möglich planen und vorschlagen. Denn dies sollte unsere Vorstellung von einer idealen Gesellschaft verwirklichen, ohne sich dabei Geschichten zu erzählen und ohne die Widersprüche die sich bei der Durchführung ergeben zu negligieren.

Um zusammenzufassen: Ich habe gesagt, dass wir uns unseren Affekten bedienen müssen, ich präzisiere, dass dies entlang der partikulären Modalitäten unseres soziokulturellen Kontextes geschehen muss, dessen Essenz es ist mit den Affekten zu arbeiten, um eine Nachricht zu übermitteln. Dieses Arbeiten mit den Affekten nennt sich Kunst. Also lasst uns aufhören Wissenschaftler zu sein, seien wir Künstler!

von Kolly Maxence, Mitglied des Klimastreiks Fribourg und neo-republikanischer Sozialist. (Bild rechts)

Übersetzt aus dem französischen von Zeno Polley.

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