Die Mittel des Klimastreiks

Streiks / Demonstrationen

Die Klimastreiks, die jeweils freitags im Abstand von einigen Wochen stattfinden, gehen auf das Vorbild Greta Thunbergs zurück, die seit August 2018 jeden Freitag vor dem Parlamentsgebäude in Stockholm streikt. Dazwischen wird demonstriert, in der Regel an einem Samstag. So können auch Leute teilnehmen, die nicht streiken können, ohne harte Konsequenzen fürchten zu müssen – beispielsweise arbeitende Menschen, denen gekündigt werden könnte.

Die Streiks bilden das Rückgrat unserer Bewegung – dass wir uns Klimastreik nennen, kommt nicht von ungefähr. Wenn zehntausende junge Menschen gemeinsam für ihre Zukunft auf die Strasse gehen, ist das ein extrem starkes Zeichen. Wir bauen Druck von unten auf und rütteln die Politiker*innen wach , die das Ausmass der Klimakrise bisher komplett unterschätzt haben. Wir erheben gemeinsam unsere Stimme, sodass wir nicht länger überhört werden können.Häufig wird uns vorgeworfen, dass die Schulen und die Bildung nicht unsere Gegner seien. Streiks während der Schulzeit ergäben somit keinen Sinn. Das stimmt natürlich vorerst. Die Schule ist inhaltlicher Verbündeter und nicht Adressat der Streiks. Die Schule zu bestreiken, dient in erster Linie dem politischen Zweck. Genau indem wir gesellschaftlich anerkannte Grenzen überschreiten, schaffen wir es, den Alltag der Menschen zu durchbrechen und sie damit viel stärker aufzurütteln. Eine Schwierigkeit bei den Demonstrationen besteht darin, dass die Teilnehmendenzahl stets zunehmen muss. Sobald diese stagniert oder gar zurückgeht, verlieren die Demonstrationen an Kraft, und das Interesse der Medien lässt nach.

NVDAs

NVDAs, also nonviolent direct actions oder zu Deutsch gewaltlose direkte Aktionen sind Proteste, die ausserhalb der institutionalisierten Politik angesiedelt sind, sich der Gewaltlosigkeit verschrieben haben und die ungerechte Macht- und Gesellschaftsverhältnisse herausfordern. Oftmals brechen NVDAs auch bewusst das Gesetz oder bewegen sich in einem juristischen Graubereich. Innerhalb der Klima- und Umweltbewegung sind NVDAs stark etabliert. Organisationen wie Extinction Rebellion oder Greenpeace setzen gezielt auf den gewaltfreien Widerstand. Ob die Besetzung von Öltankern, das Lahmlegen von wichtigen Verkehrsknotenpunkten oder das Abseilen von AKWs – es gibt eine enorme Vielfalt an möglichen NVDAs. Auch Streiks sind klassische Mittel des gewaltlosen Widerstands; die Klimastreiks als Weigerung, zur Schule zu gehen, reihen sich also klar in dieser Kategorie ein.

Die Stärken von NVDAs liegen darin, dass sie die Menschen aus ihrem Alltagstrott herausreissen und es so schaffen, ihnen die Dringlichkeit der Anliegen zu vermitteln. Gerade dadurch, dass NVDAs auch oft von starker Medienpräsenz begleitet werden, kann die Botschaft noch weiter verbreitet werden. Durch direkte Aktionen können sehr viele Menschen eingebunden werden. Ihnen wird so die Möglichkeit gegeben, von unten ins Geschehnis einzugreifen und zusammen gegen Ungerechtigkeiten vorzugehen. Da NVDAs sich teilweise in einem juristischen Graubereich bewegen, kann es sein, dass die Aktivist*innen verhaftet werden. Deshalb ist es wichtig, dass allen Beteiligten die möglichen Folgen – in juristischer, aber auch körperlicher und emotionaler Hinsicht – bewusst sind, sodass sie informiert entscheiden können, ob sie sich an dieser Aktion beteiligen wollen. Neben den Folgen für die Aktivist*innen besteht das Risiko einer NVDA darin, dass der Protest in der Presse und der Öffentlichkeit negativ aufgefasst und insofern zum Schuss nach hinten wird.

Alternativen aufbauen

Momentan ist es für uns kaum möglich, wirklich klimaneutral zu leben. Wir können uns zwar dafür entscheiden, nicht zu fliegen, auf tierische Produkte zu verzichten und unsere Kleidung nur noch im Brocki zu kaufen. Gewisse Faktoren können wir als Individuen jedoch kaum beeinflussen. Genau aus diesem Grund ist es entscheidend, dass wir uns selbst daran machen, Alternativen in diesem unperfekten System aufzubauen.

Das Wohnprojekt der Regionalgruppe Zürich des Klimastreiks ist dafür ein anschauliches Beispiel. In den letzten Jahren wurde immer klarer, dass die Art, wie wir wohnen, nicht mit dem Klima und der Umwelt vereinbar ist. Es braucht deshalb alternative Wohnformen, und genau da setzt das Wohnprojekt an: Die grosse Utopie einer klimaneutralen Gesellschaft soll auf kleinem Massstab heruntergebrochen und gelebt werden. Die Forderung von Extinction Rebellion nach Bürger*innenversammlungen als Alternativen zum herkömmlichen Parlamentarismus oder Landwirtschaft nach den Prinzipien der Permakultur sind weitere Beispiele für Alternativen, die wir aufbauen können. 

Alternativen aufzubauen ist aus verschiedenen Gründen wichtig: Wenn wir eine klimaneutrale Gesellschaft aufbauen wollen, werden wir sämtliche Aspekte unseres Lebens hinterfragen müssen. Wie wir wohnen, wie wir arbeiten und wie wir uns ernähren wollen – einfach alles. Unsere Gesellschaft ist auf solche Alternativen angewiesen, um Ideen zu entwickeln, wie eine klimaneutrale Welt aussehen könnte. Gleichzeitig bieten solche Alternativen auch die Möglichkeit, unser eigenes Wertesystem zu hinterfragen. Wie sieht ein gutes Leben aus? Immer mehr arbeiten und konsumieren, immer weitere Flugreisen von Jahr zu Jahr? Das klassische Einfamilienhaus mit Kindern und Hund? Was macht uns wirklich glücklich? Es besteht jedoch die Gefahr, dass es solche Projekte verpassen, grundlegende Veränderungen in der Gesellschaft anzustossen. Wir dürfen das grosse Ganze nicht aus den Augen verlieren. Entscheidend ist es, dass die Alternativen die Gesellschaft erreichen und nicht isoliert bleiben. 

Nadia Kuhn, 21, Gymnasiastin an der Atelierschule

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