Unsere Hoffnung auf der lokalen Ebene realisieren


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In diesen unsicheren Zeiten ist es wichtig, zu zeigen, dass Hoffnung immer noch existiert. Durch eine Rückkehr auf die lokale Ebene können eine echte, direkte Demokratie und ein gemeinschaftlich aufgebautes Landwirtschaftssystem im Dienste der Gesellschaft geschaffen werden.

Die Probleme und Krisen unserer Zeit, allen voran die Klimakrise, könnten schwerwiegende Auswirkungen auf den Planeten und seine Bewohner*innen haben. Die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Systeme, in denen wir geboren wurden und leben, können diese Probleme nicht nachhaltig lösen und bieten keinen ausreichenden Rahmen, um ein freies und bewusstes Leben zu leben. Ob wir es wollen oder nicht, wir hatten keine Möglichkeit, diese Systeme selber aufzubauen, oder nur in geringem Umfang. Es reicht jedoch nicht aus, sie zu verstehen und zu kritisieren, sondern wir müssen anfangen, zu handeln und Alternativen zur derzeitigen Funktionsweise unserer globalisierten Gesellschaft zu entwickeln. Auf soziale und ökologische Probleme muss daher mit einem grundlegenden Wandel reagiert werden. 

Die systemische Alternative ist per Definition die Schaffung eines unabhängigen Mikrosystems. Das Ziel ist nicht unbedingt revolutionär, aber eine Alternative kann nicht wirklich eine Alternative sein, ohne mit einem gewissen System zu brechen. Ein alternatives Modell ist daher notwendigerweise oppositioneller Natur und kann nur auf einem Widerstand gegen das System beruhen. Mit der Rückkehr auf die lokale Ebene ist es möglich, diese toxischen Systeme zu hinterfragen und kurzzuschließen, indem die sozialen, menschlichen und wirtschaftlichen Strukturen so umgestaltet werden, dass sie so nah wie möglich an den Menschen sind. Strukturelle Denk- und Entscheidungsprozesse sind vor Ort leichter zu verstehen. In der Tat spüren die Betroffenen unmittelbar die Folgen ihrer Entscheidungen und können so die Bedeutung der freien und kollektiven Wiederaneignung der politischen Macht durch die Bevölkerung verstehen. 

Aufbauend auf diesen Überlegungen haben wir uns entschieden, zwei spezifische Alternativen genauer zu betrachten. Eine politische Alternative für das Volk und eine landwirtschaftliche Alternative. Mit dem Wunsch, eine alternative Form der sozialen Organisation auf lokaler Ebene etablieren zu wollen, wird ein konkretes Ziel verfolgt: Die Verwirrung um die Bedeutung des Begriffes “Politik” aufzulösen und dessen originale Bedeutung wiederzufinden.

Die sozialen Fragen, die die gesamte Bevölkerung betreffen, sollten auf lokaler Ebene in Diskussionen und Entscheidungen behandelt werden, an denen eben diese Bevölkerung teilnimmt. Dies steht im Gegensatz zur jetzigen Situation, in der die meisten Überlegungen und politischen Entscheidungen auf Vorentscheidungen basieren, die in weiter Entfernung getroffen wurden und von einer nicht rechenschaftspflichtigen Bürokratie reguliert werden. Die geographische und soziale Nähe der Menschen erlaubt es hingegen, sich mit den verschiedenen Akteuren, die im gleichen Kontext leben, vertraut zu machen und gemeinsam Lösungen zu finden, die den Kontext sowie die Interessen und Bedürfnisse jedes Einzelnen berücksichtigen.

Dadurch wird es auch eine Rückkehr zu einem essentiellen Aspekt der Demokratie ermöglicht, der im jetzigen System vernachlässigt wird: der Prozess von Diskussion und Debatte, in dem die eigenen Meinungen und Argumente auf die Probe gestellt werden können. Überlegungen, die zu neuen und besseren Gedanken führen, können durch das neue Wissen und die neuen Perspektiven, die diese Debatte mit sich bringt, gefördert werden. Der wichtigste Vorteil dieses lokalen Systemes ist der Umstand, dass die Entscheidungsmacht endlich wieder bei den Menschen ist, die wirklich von den Entscheidungen berührt werden. Konkret könnte dieses System auf der Grundlage von konsensorientierten Prozessen mit Vollversammlungen, Debatten und Arbeitsgruppen funktionieren, die aus Expert*innen und den betroffenen Akteure bestehen. In der Regel werden Entscheidungen mit einfacher Mehrheit getroffen. In einigen Fällen können regionale Konföderationen aus gewählten Delegierten der verschiedenen Gemeinden mit spezifischen Mandaten bestehen. Mit der Einhaltung der Prinzipien der Inklusivität und Transparenz liegt der Prozess wirklich in den Händen des Volkes. 

Kommen wir nun zu der landwirtschaftlichen Alternative. Einerseits hat das derzeitige globalisierte, produktivistische, industrielle Landwirtschaftsmodell der Landwirtschaft seine vielen Mängel und moralischen Widersprüche deutlich gemacht. Das Kollaps der biologischen Vielfalt, der insbesondere durch die intensive Viehhaltung und den massiven Einsatz von Pestiziden verursacht wird, ist ein echtes Problem. Es ist notwendig, landwirtschaftliche Praktiken einzuführen, die grundsätzlich umweltfreundlich sind und nicht von fossilen Brennstoffen abhängig sind. Durch die Verringerung der Größe der Betriebe, die Abkehr von der Monokultur und der intensiven Viehzucht und die Erhöhung des nichtmechanisierten Anteils der Arbeit ist eine Rückkehr zu einer widerstandsfähigeren Landwirtschaft möglich, die unabhängig von fossilen Brennstoffen und synthetischen Produkten ist, wodurch die Hauptprobleme des derzeitigen Systems gelöst werden. Andererseits ist auch klar, dass die Kluft zwischen der Landwirtschaft und der übrigen Gesellschaft immer größer wird. 

Durch die Rückkehr auf die lokale Ebene und die Erhöhung der Zahl der Beschäftigten im Primärsektor ist es möglich, diese zu verringern. Es ist dann leichter, qualitativ hochwertige Produkte für alle zugänglich zu machen und dabei sowohl die geographische als auch die soziale Nähe wieder herzustellen. Dies bedeutet, die zwischenmenschlichen Beziehungen zu stärken und zu vervielfachen und den Austausch von Werkzeugen und Wissen zu fördern. Um die Umsetzung solcher Alternativen zu ermöglichen, besteht ein wichtiger erster Schritt darin, über die Rolle nachzudenken, den die Landwirtschaft derzeit in unserem Leben einnimmt. Nur durch die Kultivierung und Aufzucht von Tieren können wir uns ernähren; wie konnte sich eine so lebenswichtige Tätigkeit wie die Nahrungsmittelproduktion so weit von unserem täglichen Leben entfernen? In den meisten westlichen Ländern haben wir uns eine von unserer Umwelt entfremdete Lebensweise angeeignet. Aber wir müssen jetzt wieder lernen, wie wir unsere eigenen Lebensmittel produzieren können. Deshalb ist es wichtig, hier und da agroökologische Mikrofarmen zu errichten, die auf dem Land oder in der Stadt produzieren, unabhängig davon, ob sie selbstverwaltet oder partizipatorisch sind. Im Grunde geht es darum, sich das Land und seine Produkte wieder anzueignen, aber vor allem darum, die Verbindung, die wir mit ihm haben, neu zu überdenken. Die Schaffung einer Alternative geht in allen Bereichen mit einer Rückkehr zu den Grundlagen einher. Damit eine lokale Alternative funktionieren kann, muss eine Gemeinschaft also alle Mittel selber in der Hand haben und sich von der Komplexität und Widerstandsfähigkeit der Ökosysteme inspirieren lassen, um in Harmonie mit ihrer Umwelt zu leben. Aus strategischer Sicht ist die Umsetzung konkreter und funktionierender Alternativen sicher Teil einer Vision eines Systemwandels, sei es ein revolutionärer oder ein langsamer. Es ist notwendig, zu zeigen, dass es noch etwas anderes gibt, um die Lust auf Wandel anzustacheln und auf Dauer am Leben zu erhalten.

Paula Rouiller, 18, Aktivistin und Studentin

Oliviero Reusser, 22, Aktivist

Von der Herkunft und der Nützlichkeit des Streikes


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Übersetzung auf deutsch

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Das Wort Streik ist in der Schweiz in aller Munde. Zwei Bewegungen, die eine feministisch und die andere ökologisch, bekennen sich zum Streik und haben diesen Begriff in der Tat popularisiert. Eine Losung schwebt in der Luft: Auf dem Weg zum Generalstreik! Aber was genau ist eigentlich ein Streik?

Ein Streik ist die Einstellung der ökonomischen Aktivitäten durch die Arbeiter*innen, welche divergierende Interessen von denen der Arbeitgeberschaft haben. Der Streik kann unterschiedliche Formen annehmen oder mehrere Aktionen vereinen, wie zum Beispiel Demonstrationen, Sabotage, Aktionen, die die Möglichkeiten der Organisation nutzen, Gerichtsprozesse, Verhandlungen etc. Das Ziel des Streikes ist es die Rechte der Arbeitnehmer zu verteidigen oder neue zu bekommen. Das Interesse eines Streikes kann sehr spezifisch sein (eine Entscheidung einer Unternehmung) oder aber sehr weit gefasst (soziale Fortschritte für die gesamte Bevölkerung).

Arbeitskonflikte existieren seit langer Zeit. Seit Beginn der Spezialisierung haben die Dominierten immer Phasen des Kampfes gegen die Domminierenden gekannt. Diese Konflikte hatten verschiedene Formen. Im 19. Jahrhundert haben die sozialistischen Arbeiterbewegungen verschiedene Formen im Kampf gegen das Unternehmertum angewendet [1], darunter auch den Streik. Als eine wichtige, wenn nicht sogar zentrale, Aktionsform hat der Streik die Jahrzehnte überdauert und bleibt sogar in der Schweiz ein kraftvolles Mittel.

Viele Beispiele zeigen es, der Streik ist effektiv! In Frankreich haben die Streiks und Besetzungen von Unternehmungen im Jahr 1936 dazu geführt, dass es bezahlten Urlaub gibt. Die Mobilisation 1968 führte zu einem generellen Gehaltsanstieg. Auch in der Schweiz haben Streiks kürzlich zu unleugbaren Erfolgen geführt [2] und dies trotz starker Repression durch die Arbeitgeberschaft, einem lächerlichen, rechtlichen Schutz der Arbeitnehmer (die IAO prangert die Schweiz dafür an) und einer prozeduralen Behinderung des Streikrechts. So hat das Rohbauwerk die vorzeitige Rente mit 60 Jahren erwirkt. Der Streik ist nicht nur ein Mittel zur Verteidigung, sondern auch ein effektives, offensives Mittel.

Damit ein Streik in der Schweiz zulässig ist, muss er sich auf die Beziehungen zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerschaft beziehen, den Arbeitsfrieden respektieren, wenn er in einem Tarifvertrag festgehalten wurde und er muss ebenfalls die letzte mögliche Lösung sein. Der Streik kann spontan sein, oder aber wie meistens im Vorfeld von einer Gewerkschaft organisiert werden. Die Einstellung der Aktivität kann in der Dauer variieren, von mehreren Stunden bis hin zu mehreren Tagen. Weil die Arbeitnehmer*innen während dieser Zeit nicht bezahlt werden übernehmen Streikfonds den Gehaltsaufall der Arbeitnehmer*innen. Die Sekretäre, welche oft von den Gewerkschaften bezahlt werden, spielen eine zentrale Rolle, sie führen ein Mandat, erteilt von den Streikenden, aus. Es ist ein gemeinsamer Kampf, welcher starke Verbindungen und eine Solidarität zwischen den Streikenden entstehen lässt. Aber ein Streik ist schwierig zu führen und es ist selten, dass die Forderungen vollständig erfüllt werden. Dennoch zeigen viele Beispiele die Effektivität von Streiken in den folgenden Bereichen: Verringerung von gestrichenen Stellen, Erhöhung des Lohns, oder einen vorzeitigen Ruhestand. Damit der Streik erfolgreich ist, muss eine Kohäsion zwischen den streikenden Personen bestehen, aber es müssen auch finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, um sie zu unterstützen.

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Des Weiteren muss auch außerhalb der Streikszene Druck aufgebaut werden. Es ist selten, dass keine der von den Streikenden gestellten Forderungen erfüllt wird.

Unsere Bewegung hat ihre Anfänge in Schulstreiken genommen. Dies ist untypisch, obwohl unsere Aktionen weder neuartig, noch singuläre Ereignisse sind. In unserem Fall war der Streik nahezu wild, das heißt ohne das er von einer Gewerkschaft geplant wurde, teilweise war er sogar spontan (die Streikenden haben sich teilweise am selben Tag dazu entschieden, dass sie ihre Bildungsaktivität, welche als Form der Arbeit angesehen werden kann, einstellen) und nach der Schweizer Rechtsprechung war er „politisch“ (obwohl jeder Streik per se politisch ist). Die ersten Streiks waren ein Aufschrei des Herzens, gerichtet an die Unternehmen, aber vor allem auch an den Staat, die entstandene Sogwirkung überschreitet bei weitem die Grenzen der Bildungsinstitutionen. Aber wir haben mehr und mehr Verbindungen mit den Gewerkschaften (aber auch mit den streikenden, feministischen Kollektiven) und das unpräzise Wort Generalstreik nimmt zunehmend Form an, die Ziele und die Forderungen werden zunehmend konkreter. Der erste Meilenstein auf dem Weg zum Generalstreik wurde festgelegt: Der 15. Mai 2020.

Wir stellen uns vor allem die Frage, wie wir streiken wollen. Das Warum jedoch ist zentral. Wenn wir streiken, dann ist das, weil der Streik sowohl sozial als auch politisch ein effektives Mittel ist. Die Wirtschaft ist zentral bei der Frage nach der ökologischen Krise und sie spielt eine zentrale Rolle in unserem politischen System. Eine Veränderung bei der Produktion, bei der Verteilung der Güter und bei den öffentlichen Diensten ist eine Veränderung im Zentrum der Macht. Folglich öffnet uns dies die Bahn für die konsequenten Veränderungen, die wir brauchen. Der Streik ist ein kollektives Mittel, welches weitaus wirkungsvoller ist als die Mehrzahl der individuellen Aktionen. Er ermöglicht es den Arbeitnehmer*innen dafür zu kämpfen, dass die Maßnahmen, die die Klimakrise abschwächen sollen, nicht antisozial sind.

Um die Arbeitnehmer*innen zu erreichen brauchen wir die Gewerkschaften (aber wir müssen uns ebenfalls in anderen Strukturen Unterstützung suchen), ihren Aktionsformen, ihren Streikfonds und ihrer Erfahrung. Wir müssen umfassend mit ihnen und allen anderen progressiven Kräften konvergieren.

Was nach dem Generalstreik passiert bleibt noch offen, wird jedoch mit Fortschreiten des Kampfes determiniert werden. Aber es ist fundamental sich die Frage nach dem Ziel des Generalstreikes zu stellen. Selbstverständlich sind die Ziele ökologischer und sozialer Natur, aber sollte der Streik, wie es einige befürworten zu einem Umsturz der „alten Welt“ führen, dasheißt einer Überwindung der Klassengesellschaft, der kapitalistischen Gesellschaft als Ganzes? Sollte er ein Element sein, in der Kette der Dinge die zu diesem Ziel führen? Sollte er die Leiter*innen der großen Unternehmen und des Staates aus ihren Positionen verdrängen um sie zu ersetzen? Sollte er zum Wandel anregen, ohne dabei jedoch die wirtschaftlichen Strukturen zu stürzen? All diese Positionen und noch andere gibt es in unserer Bewegung. Ich persönlich unterstreiche jedoch, dass es meiner Meinung nach nicht möglich ist unsere Ziele zu erreichen, wenn unser wirtschaftliches System auf unendlichem Wachstum, in einer Welt mit endlichen Ressourcen, basiert. Ich würde sogar so weit gehen die Aufhebung der Dreieinigkeit Kapital- Staat-Nation [3] zu fordern, aber jede*r muss selbst über diese Frage nachdenken.

Was also tun? Die Frage wird nur in der Aktion gelöst werden.

Streiken wir alle gemeinsam am 15. Mai 2020!

Robin Augsburger, Zivildienstleistender, Bachelorabschluss in Bio- und Ethnologie. Aktiv in den Bereichen Ökologie, Migration und in Studentengewerkschaften.

Quellen:

[1] POUGET Emile, Le Sabotage, 1911, disponible à l’adressehttps://infokiosques.net/IMG/pdf/Le_sabotage_-_Emile_Pouget.pdf

[2] ALLEVA Vania, RIEGER Andreas (éd.), Grèves au 21e siècle, Rotpunktverlag, 2017, Zürich

[3] KARATANI Kojin, Structure de l’histoire du monde, CNRS Éditions, 2018, Paris

Ökologie und Antikapitalismus: eine glückliche Ehe?


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Übersetung auf Deutsch

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Die Klimabewegung verbreitet sich wie ein Lauffeuer. Grund dafür ist die Feststellung, dass das Klima sich tatsächlich verändert. Aber bei einer Frage gehen die Meinungen auseinander: Gibt es einen grünen Kapitalismus?

“Der Mensch führt Krieg gegen die Natur”, stellte Antonió Guterres einige Tage vor Beginn der UNO-Klimakonferenz (COP25) fest. Mit dem Klimawandel verhält es sich tatsächlich ganz einfach: Jedes einzelne Treibhausgas-Molekül heizt die Atmosphäre ein bisschen mehr auf. Dieser Krieg ist also zudem ein Wettlauf gegen die Zeit. Das Problem verschlimmert sich immer mehr und der schicksalhafte Moment, in dem wir unser CO2-Budget aufgebraucht haben, rückt immer näher.

In den Augen mancher ist der Kapitalismus für die Situation verantwortlich und deshalb sei es notwendig, diesen zu bekämpfen. Für andere ist das Problem hauptsächlich technischer Natur und deshalb sollte uns die Technik helfen. Ich gehörte lange zur ersten Gruppe und ich werde versuchen, Ihnen zu erklären, weshalb ich mich mit keiner der beiden Ansichten mehr identifizieren kann.

Meiner Meinung nach ist einer der häufigsten Irrtümer derer, die den Kapitalismus bekämpfen, die Ansicht, dass der Kapitalismus dazu da sei, irgendein Ziel zu erreichen. Dies ist nicht der Fall. Der Kapitalismus ist überhaupt nicht zielorientiert. Die Art, wie er organisiert ist, zielt bloss auf Wettbewerb ab. Einzig der pseudo-demokratische Staat setzt eine Grenze, die diese wirtschaftliche Anarchie davor bewahrt, sich selbst zu zerstören. Genau diesen Wettbewerb zwischen den kapitalistischen Akteuren könnte man sich zu Nutze machen.

Tatsächlich können unternehmerische Aktivitäten wettbewerbsfähiger werden als konkurrierende Alternativen, abhängig von den Zwängen des freien Marktes. Man könnte nun so vorgehen, dass man gewisse Unternehmen anvisiert, die Marktanteile durch eine Verschärfung der ökologischen Auflagen gewinnen würden. 

Ein konkretes Beispiel: Gaskraftwerke stossen etwa 490 g CO2/kWh aus, im Gegensatz zu Kohlekraftwerken mit etwa 1000 g CO2/kWh. Eine CO2-Abgabe erhöht nun den Preis beider Energieformen, wobei derjenige für die Energie aus dem Gaskraftwerk immer noch halb so hoch ist wie jener für die Energie aus dem Kohlekraftwerk. Deshalb liegt es im Geschäftsinteresse der Gasunternehmen, eine Erhöhung der CO2-Abgabe zu fordern, die leicht unter dem Preis liegt, bei dem das Gas wettbewerbsfähig wird. Diese Erkenntnis stammt vom Thinktank “The Shift Project”, der den Geschäftsführer von Total, einem französischen Erdgasunternehmen, davon überzeugte, sich für eine Erhöhung der CO2-Abgabe einzusetzen. Deshalb ging ein Verkäufer fossiler Energie dazu über, bei der Europäischen Kommission für eine Erhöhung der CO2-Abgabe zu lobbyieren. Und deshalb stieg auch der Preis für das CO2in Europa von 4.79 € pro Tonne im Jahr 2013 auf aktuell über 25 € pro Tonne. 

Klar ist dies nicht ausreichend, aber es zeigt gut, wie man sich des Konkurrenzkampfs zwischen kapitalistischen Akteuren bedienen kann, um ökologische Ziele zu erreichen. Wir können die Dirigenten dieses liberalistischen Requiems werden. Wieso sollte man sich nicht mit handverlesenen Lobbys zusammentun und für eine gewisse Zeit zusammenarbeiten? Natürlich entspricht diese Art von Strategieänderung einer 180-Grad-Wende, aber zeugt das Hinterfragen bisheriger Strategien nicht auch von Intelligenz? Und war es doch schlussendlich im Zweiten Weltkrieg nicht der Zusammenschluss der Kommunisten und der Kapitalisten, der die Faschisten in Europa in die Knie zwingen konnte?

Wir befinden uns in einem Wettlauf gegen die Zeit. Und wir verfügen nicht über den Luxus, das System zu verändern, bevor es zu spät ist. Die Natur ist in diesem Fall noch grausamer als die Wirtschaft, denn ihre Regeln sind weder verhandelbar, noch kann man einfach gegen sie verstossen oder gegen sie ankämpfen. Wenn unser CO2-Budget einmal aufgebraucht ist, haben wir verloren. Nicht mehr, nicht weniger. So sieht unser Kampf aus. Bei jedem Schritt, den wir unternehmen, müssen wir uns nicht nur überlegen, ob er der Sache dient, sondern auch, ob er mit den globalen Umweltschutz-Massnahmen einhergeht, die in der uns verbleibenden Zeit ergriffen werden können. Dies ist übrigens auch der Grundsatz der Wachstumskritik: Alles, was wir tun, muss innerhalb der begrenzten Ressourcen unseres Planeten geschehen. Deshalb müssen wir manchmal vielleicht auch etwas Unangenehmes tun. Genau das ist Wachstumskritik: Uns zurückzunehmen bezüglich unseres Handelns auf der Welt.

Und als leidenschaftlicher Antikapitalist tröste ich mich mit dem, was Yves Cochet einst sagte: “Nicht der Klassenkampf wird zur Überwindung des Kapitalismus führen, sondern die Geologie”. Wir sollten keine Energie darauf verschwenden, ein System zu bekämpfen, das sowieso von hier verschwinden wird – in den nächsten Jahren oder zumindest in den nächsten Jahrzehnten. Wir sollten uns auf den Aufbau dessen konzentrieren, was nach dem Kapitalismus kommt. Aber vor allem sollten wir unsere Kräfte auf einen Kampf konzentrieren, der weit über die vergleichsweise kleinen Probleme der meisten Menschen hinausgeht. Nämlich nicht auf den für wirtschaftliche oder politische Systeme, sondern auf den Kampf für das Leben. Im Grunde genommen gibt es ja nichts Egoistischeres, als die Erde verkümmern zu lassen, bloss weil uns die gesellschaftliche Ordnung einer einzelnen Spezies – also unserer eigenen – nicht gefällt, oder nicht?

Fabrice Bourquenoud, Klimastreik-Aktivist Fribourg, Student der Biologie und Umweltwissenschaften.

Ecologia e anticapitalismo: un matrimonio felice?


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Traduzione italiana


Dappertutto, dei movimenti ecologisti emergono e sono concordi sul cambiamento climatico. Ma una domanda li dilania; «capitalismo» può essere scritto in verde?

“La specie umana è in guerra contro la natura” dichiarava Antoniò Guterres qualche giorno prima dell’apertura della COP25. In effetti, il cambiamento climatico è di una semplicità sbalorditiva: ogni molecola di gas ad effetto serra riscalda un pochino di più l’atmosfera. Questa guerra è perciò anche una corsa contro il tempo. Il problema non fa che peggiorare e lo scorrere del tempo ci avvicina al fatidico momento in cui avremo superato il budget di carbonio.

Per certi/e, è il dogma capitalista che spinge verso questa situazione ed è quindi necessario, secondo loro, combattere quest’ultimo. Per altri/e il problema è soprattutto tecnico ed è pertanto la tecnologia che lo risolverà. Ho per molto tempo fatto parte del primo gruppo e tenterò di spiegarvi perché non mi identifico più in nessuna di queste due idee.

Secondo me, un errore comune delle persone che combattono il capitalismo è di pensare che questo sia progettato per raggiungere non so quale obiettivo. Non è questo il caso. Il capitalismo non è assolutamente pensato per raggiungere un obiettivo. La sua organizzazione mira solo a promuovere la concorrenza con come unico limite lo stato pseudo-democratico, il cui ruolo è di evitare che questa anarchia economica si autodistrugga. Perché non usare questa competizione tra capitalisti?

In effetti, delle attività economiche possono diventare più competitive che delle concorrenti alternative a seconda dei vincoli applicati al mercato. Un modo di agire può quindi consistere nel prendere di mira le società che guadagnerebbero quote di mercato inasprendo un vincolo ecologico.

Un esempio reale: Le centrali elettriche a gas emettono circa 490g di CO2/kWh contro i circa 1000 del carbone. Una tassa sul carbonio aumenta quindi il prezzo di questi due tipi di energia, tuttavia quella del gas cresce 2 volte meno di quella del carbone. È pertanto nell’interesse commerciale delle società del gas richiedere un aumento della tassa sul carbonio leggermente al di sopra del prezzo al quale il gas diventa competitivo. Questo è quanto ha affermato il Think Tank The shift project che ha convinto il CEO di Total, la compagnia petrolifera e del gas francese, a fare una campagna per un aumento della tassa sul carbonio. È così che un commerciante di combustibili fossili ha iniziato a premere con forza la sua lobby sulla commissione europea per aumentare la tassa sul carbonio. Ed è anche così che il prezzo del carbone in Europa è passato da 4,79 € alla tonnellata nel 2013 a più di 25 € attualmente.

Certo, questa azione non è sufficiente, ma questo mostra bene come un movimento organizzato può servirsi della lotta tra capitalisti per raggiungere degli obiettivi ecologici. Diventiamo direttori d’orchestra del requiem del liberalismo. Perché non scegliere delle lobby selezionate con cura con le quali faremmo temporaneamente delle alleanze? Certo, questo genere di cambiamento strategico rappresenta un giro a 180 gradi, ma non è la messa in discussione il marchio dell’intelligenza? Dopo tutto, non è storicamente l’alleanza dei blocchi comunisti e capitalisti che in una lotta comune ha potuto rovesciare il fascismo in Europa?


Nella corsa contro il tempo nella quale siamo impegnati/e, non abbiamo il lusso di cambiare il sistema prima che non sia troppo tardi. È là dove la natura è ben più crudele che l‘economia: le regole non sono né negoziabili, né trasgressibili, né contrastabili; una volta esaurito il nostro bilancio di emissioni di carbonio, abbiamo perso. Né più, né meno.

È quindi in questo contesto che si inserisce la nostra lotta. Per ogni azione, ci dobbiamo domandare non solo se questa sia pertinente, ma anche se questa si inserisce nella strategia globale compatibile con la conservazione dell’ambiente nei tempi stabiliti. Questa è, inoltre, la base della critica della decrescita, per cui tutte le azioni devono essere pensate entro il quadro limite del mondo e talvolta questi limiti ci portano a delle azioni per le quali siamo riluttanti. È esattamente questa la decrescita; la riduzione della nostra capacità di agire sul mondo.

Quanto a me sono un fervente anti capitalista, e mi consolo con la frase di Yves Cochet “non è la lotta di classi che vincerà sul capitalismo ma la geologia”. Non sprechiamo la nostra energia combattendo un sistema destinato a scomparire nei prossimi anni o al massimo nei decenni a venire. Concentriamo le nostre forze sulla costruzione di un dopo, ma soprattutto, concentriamo le nostre lotte sul combattimento che va ben oltre le basse considerazioni umane sui sistemi economici e politici; la lotta per il vivente. In fondo, cosa c’è di più specista che lasciar deperire la Terra semplicemente perché l’organizzazione sociale di una sola specie non ci piace?

Fabrice Bourquenoud, Attivista per gli scioperi climatici di Friburgo, Studente di biologia e scienze ambientali

Forderungen für die Zukunft


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Übersetung auf Deutsch

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Sollte der Strike for Future konkrete Forderungen für den 15. Mai 2020 und darüber hinaus enthalten? Auf jeden Fall. Aber aus welchen Gründen? Welche Art von Forderungen? Wie? Und vor allem, was genau sollen wir verlangen?

Die Klimastreikbewegung ist nun über ein Jahr alt. Auf sehr emotionale und spontane Weise gestartet, ist sie im Laufe der Monate gereift und die Forderungen weiter spezifiziert worden. Lassen Sie uns auf die Entwicklung dieser Forderungen und ihre notwendige Intensivierung zurückkommen. Die erste Forderung fordert die Anerkennung des «Klima-Notstands» durch die staatlichen Institutionen. Die zweite Forderung legt das Ziel fest, in der Schweiz bis 2030 Treibhausgasneutralität (CO2 Netto-Null) zu erreichen, ohne den Einsatz von Kompensationstechnologien, mit einem Rückgang der Emissionen ab 2020. Die dritte Forderung betrifft das Prinzip der «Klimagerechtigkeit», dessen Definition auf dem Kongress verabschiedet wurde, was generell bedeutet, dass wir antisoziale Maßnahmen ablehnen. Auf diese Forderungen folgt ein Zusatz: Wenn sie innerhalb des bestehenden «Systems» nicht erreicht werden können, müssen wir das System ändern.
Nach einem Jahr des Bestehens der Bewegung ist klar, dass diese Forderungen nach wie vor unpräzise sind. Die erste (Klima-Notstand) führt nichts Konkretes ein. Die zweite (Netto-Null) macht keine Vorschläge, wie die Emissionen reduziert werden können. Der dritten (Klimagerechtigkeit) mangelt es an Klarheit, und trotz einer national vereinbarten Konsensdefinition gibt es immer noch viele Diskussionen über ihre praktischen Auswirkungen. Schließlich sagt uns der Zusatz zum «Systemwechsel» absolut nichts über die Natur des «Systems».

Zunächst waren diese Ungenauigkeiten auf den Wunsch der Bewegung zurückzuführen, spaltende Positionen zu vermeiden, zumal wir nicht über die Mittel verfügten, um direkte «Lösungen» für die Klimakatastrophe vorzuschlagen. In der Praxis entschieden die Regionalgruppen oft anders: Im Kanton Neuenburg wurden Volksanträge auf kantonaler und kommunaler Ebene lanciert und angenommen [1]; im Kanton Waadt wurde ein mehrere Dutzend Seiten umfassender Klimaplan in partizipativer Weise erstellt [2], usw. [3].

Diese Notwendigkeit, genauere Handlungsoptionen zu skizzieren, wird mit zunehmender politischer Reife der Bewegung immer stärker. Die Definition konkreter Forderungen und Maßnahmen ist zudem ein zentraler Aspekt des für den 15. Mai geplanten Strike for Future. Die Herausforderung besteht darin, sowohl legale Streiks, die von den Gewerkschaften unterstützt werden, zuzulassen als auch gleichzeitig die Selbstorganisation der arbeitenden Bevölkerung zu fördern, die je nach Sektor oder Unternehmen an die Formulierung von Forderungen herangeführt wird, die die Menschen direkt betreffen. Dieser Artikel untersucht die Relevanz konkreter Forderungen und unterscheidet dabei zwischen rechtlichen und allgemeinen Forderungen einerseits und transversalen, sektoralen und betrieblichen Forderungen andererseits und stellt einige Ideen für Forderungen vor.

Eines der Ziele des Strike for Future ist es, den Streik auf die Arbeitsplätze auszuweiten oder zumindest die Beschäftigten mit Unterstützung der Gewerkschaften in die Klimabewegung einzubeziehen. Aber über welche Art von Forderungen sprechen wir? Es gibt verschiedene Arten. Zunächst einmal müssen wir legitime und ideelle Forderungen gegenüberstellen.

Damit ein Streik rechtmäßig ist und die Beschäftigten nicht gefährdet, muss er sich auf Forderungen im Zusammenhang mit den Arbeitsbedingungen stützen. Es geht darum, konkrete und präzise Forderungen zu formulieren, und sie dennoch mit Klima- und Umweltfragen zu verknüpfen suchen. Dies hat für uns und für die Gewerkschaften angesichts des 15. Mai absolute Priorität. So könnten Beschäftigte beispielsweise einen Stopp der Verwendung von toxischen Produkten im Landschaftsbau, bezahlten Urlaub bei großer Hitze auf den Baustellen usw. fordern. Zusätzlich zu Forderungen in Bezug auf die Arbeitsbedingungen, die für die Legitimierung des Streiks unerlässlich sind, könnten Arbeiterinnen und Arbeiter weiter gefasste und übergreifende Forderungen formulieren: demokratische Kontrolle der Produktion und der Dienstleistungen, Verstaatlichung der Finanzinstitutionen, den klimatischen Ausnahmezustand, der den Staat zur Überprüfung seines Haushalts zwingt, usw. Diese Themen scheinen weniger unmittelbar zu sein, aber sie sind von zentraler Bedeutung, um einen wünschenswerten Horizont für die Mehrheitsbevölkerung zu skizzieren.
Je nach Ebene, auf der sie operieren, lassen sich verschiedene Arten von Forderungen unterscheiden. Sie können ein Unternehmen oder eine Einrichtung betreffen (vegane Kantinen, Masken gegen toxische Produkte, vermehrtes Recycling usw.); einen Tätigkeitsbereich (für ganze Branchen geltende Normen, Arbeitgeber-Finanzierung von Weiterbildungskursen zur Neuorientierung usw.); oder auch die Gesellschaft als Ganzes betreffen (Stopp der Einfuhr von Produkten, deren Verkauf in der Schweiz verboten ist, Arbeitszeitverkürzung, Besteuerung der Gewinne von Grossunternehmen zur Finanzierung ökologischer Massnahmen usw.).

In der Bewegung für den Strike for Future müssen wir daher für jeden Sektor oder jedes Unternehmen spezifische Forderungen aufstellen, die die Streikaktionen jeweils legal machen. Aber wir müssen auch Perspektiven für politische Maßnahmen eröffnen, um auf den Klima-Notstand (der auch ein sozialer Notstand ist!) zu reagieren, da sonst die Arbeitnehmerinnen Gefahr laufen, sowohl für Umweltprobleme als auch für die Maßnahmen, die die Regierungen zur Bewältigung einer Situation ergreifen, die über sie hinausgeht, zu bezahlen. Tatsächlich ist die Unbeweglichkeit der politischen Institutionen nach einem Jahr der Mobilisierung für das Klima erschreckend. Es ist zu befürchten, dass die «grüne Welle» an dieser vorherrschenden Apathie nicht viel ändern wird. Können wir daher hoffen, das Worst-Case-Szenario zu vermeiden, bei dem die Emissionen weiterhin dramatisch ansteigen, eine kaum vorstellbare globale Katastrophe verursachen und im Gegenzug die Entwicklung autoritärer Machtstrukturen zur Bewältigung der Situation rechtfertigen? In jedem Fall ist es entscheidend, die Bevölkerung in diese Überlegungen einzubeziehen, damit die Menschen aufgrund ihrer persönlichen Erfahrungen, insbesondere am Arbeitsplatz, Verantwortung für politisches Handeln übernehmen, und damit während des Übergangs Interessen der gesellschaftlichen Mehrheit und nicht Interessen der politischen Anführerinnen, des Großkapitals und des Finanzsektors gedient wird.
Wie können also diese vielfältigen Forderungen ausgearbeitet werden? Vorerst definiert der Klimastreik seine Forderungen auf den eigenen nationalen Kongressen. Dies hindert regionale Gruppen nicht daran, zusätzliche, lokal geltende Forderungen zu definieren. Unsere Bewegung hat übrigens beschlossen, dass die konkreten Forderungen für den 15. Mai vor allem von den betroffenen Mitarbeiterinnen regional definiert werden sollen. Dies hindert eine von einem Plenum des Fünften Nationalkongresses legitimierte Arbeitsgruppe nicht daran, an einem nationalen Manifest zu arbeiten. Die aktuelle Strategie, die dem Schweizer Föderalismus und den regionalen Besonderheiten in gewerkschaftlicher, sozialer usw. Hinsicht angepasst zu sein scheint, besteht daher aus einer dezentralisierten und autonomen Konzeption von gesetzlichen Forderungen – aber de facto auch aus allgemeineren Forderungen, die von lokalen Klimastreikgruppen, Gewerkschaften, Kollektiven für den FrauenStreik usw. ausgehen.

Diese Dezentralisierung kann das Risiko von Spannungen auf nationaler Ebene erhöhen, da einige Forderungen möglicherweise nicht miteinander vereinbar sind. Sie kann auch die Botschaft einer heterogenen und doch vereinten Bewegung verwischen. Der dezentralisierte Aspekt hat jedoch viele Vorteile. Lokale Kollektive fügen sich in einen Kontext ein, der den beteiligten Personen vertraut ist. Die Forderungen und Aktionen werden je nach dem Grad der Kampflust und dem Standort der Gewerkschaften den lokalen Möglichkeiten angepasst. Es ist essentiell, Repressionen durch den Arbeitgeber so weit wie möglich zu vermeiden und den Mitarbeiterinnen die Möglichkeit zu geben, entsprechend ihrer eigenen Motivation, ihres Bewusstseins und ihrer unmittelbaren Sorgen zu handeln. Dies ermöglicht, Menschen einzubeziehen, die ihre Arbeitsumgebung, die Produktionsbedingungen und all das, was dies in sozialer, gesundheitlicher oder ökologischer Hinsicht bedeuten kann, besser als jeder andere kennen. Kurzum, wir glauben, dass dies ein vernünftiger Weg zu einer progressiven Aneignung des Umweltkampfes durch die Bevölkerung ist, die unerlässlich ist, wenn wir eines Tages unser Motto der Klimagerechtigkeit erreichen und uns auf einen echten, demokratischen und sozial gerechten ökologischen Übergang zubewegen wollen.

Aus all diesen Gründen ist es sinnvoll, starke lokale Autonomie zuzulassen, sowohl im Rahmen unserer Bewegung als auch im Rahmen des Strike for Future. Dies sollte jedoch keineswegs die Entwicklung von Forderungen verhindern, die später von der nationalen Klimastreikbewegung oder sogar von einer breiteren ökologischen Front unterstützt werden können.

Im Folgenden sind einige Beispiele für Forderungen für zukünftige Debatten aufgeführt. In einigen Umwelt-, Frauen*- und Gewerkschaftskreisen kursiert derzeit eine interessante Forderung: die Verkürzung der Arbeitszeit ohne Lohnverlust. In der Tat bedeutet die Verringerung unserer Umweltauswirkungen langfristig eine Verringerung der Gesamtproduktion von Gütern, indem bestimmte als unbrauchbar erachtete Produktion eliminiert wird. Weniger zu produzieren, würde es ermöglichen, die Arbeitsbelastung zu verringern und in einigen Fällen Geschäftsreisen zu reduzieren. Dies wäre natürlich ein Gewinn an Lebensqualität für die Beschäftigten, da mehr Zeit für andere Aktivitäten zur Verfügung stünde: Erholung, Freizeit, Selbstproduktion (Gartenarbeit, Kochen usw.). Sie wäre auch für die Gesundheit von Vorteil, da sie das Risiko von Krankheiten und Arbeitsunfällen verringern würde. Schließlich erlaubt mehr Freizeit ein stärkeres Engagement in assoziativen und politischen Bereichen und damit eine Vertiefung der Demokratie – ein absolut wesentlicher Aspekt unter dem Gesichtspunkt von Klima und sozialer Gerechtigkeit.

Ein weiterer vielversprechender Vorschlag ist der kostenlose öffentliche Verkehr, um die individuelle Motorisierung und die von ihr verursachten Emissionen drastisch zu reduzieren, die Verbetonierung durch Stoppen von Straßenverbreiterung zu verringern usw. All dies, ohne Bewegungsfreiheit zu einem Privileg zu machen.

Quim Puig. Ökosozialistischer Aktivist.

Robin Augsburger. Zivilist, Bachelor-Abschluss in Biologie und Ethnologie.

Quellen:

Klimastreik – Kanton Neuenburg, Texte der von der Bewegung lancierten Volksanträge und Kommentare [Webseite], https://neuchatel.climatestrike.ch/motions-populaires / 09.01.2020

Klimastreik – Kanton Waadt, Visionen, Ziele, Prinzipien und Massnahmen für ein wirklich nachhaltiges Klima, Ökosysteme und Zukunft, 2019 [verfügbar unter http://planclimat.org/ / 09.01.2020