Occupy Wall Street – Was der Klimastreik lernen kann


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Der Klimastreik ist an einem kritischen Punkt angelangt: Wie soll es weitergehen? Welche Strategien und Ideen nach der ersten Aufmerksamkeit noch Erfolg haben könnten und welche nicht, zeigt der Blick auf eine andere soziale Bewegung: «Occupy Wall Street».

Vielen nur als Occupy bekannt und in diesem Artikel auch so abgekürzt, wurde die Bewegung Occupy Wall Street im September 2011 ins Leben gerufen. Angeregt wurden die Proteste durch die Besetzung des Tahrir-Platzes in Ägypten im Zuge des arabischen Frühlings und einen Blogpost der kanadischen Mediengruppe Adbusters Media Foundation, deren gesellschaftskritisches Magazin in ganz Amerika bekannt ist, welches zur Besetzung der Wall Street aufgerufen hatte. Der Tahrir-Platz in Kairo wurde zum einen besetzt, zum anderen jedoch auch als Kundgebungs- und Demonstrationsort benutzt, weshalb er eine spezielle Symbolik für die Occupy-Bewegung besass, die diese beide Protestformen vereint. Die Demonstrant*innen schlugen daher auf dem nahe gelegenen Zucottipark ihre Zelte auf, um für einen Ausgleich der sozialen Ungleichheiten zwischen Arm und Reich, eine stärkere Kontrolle des Finanzwesens und eine wirtschaftsunabhängige Politik zu kämpfen. Aus dieser physischen Besetzung, der «occupation» öffentlicher Plätze wurde ein Symbol: Aus Orten mit hohem ökonomischen Symbolwert wurden Orte des Zusammenseins und der Gleichberechtigung. Fortan war der Schlachtruf «We are the 99 percent!», ein Ausdruck dafür, dass diese Bewegung von der breiten Masse unterstützt wurde, immer häufiger zu hören und zu sehen. Durch einige gewalttätige Zwischenfälle seitens der Polizei steigerte sich die Solidarität unter den Protestierenden. Twitter war dabei ein wichtiges Mittel, um der Frustration Ausdruck zu verleihen, und gleichzeitig die gesamte Welt über die Sachlage zu informieren.

Die Aufmerksamkeit erreichte einen vorläufigen Höhepunkt, nachdem sich einige Demonstrant*innen bei einer Kundgebung auf der Brooklyn Bridge auf die Fahrbahn begeben hatten, und die Polizei daraufhin eingriff. Dutzende wurden festgenommen, was wiederum den Widerstand vergrösserte. Die anfangs lokale, amerikanische Protestbewegung breitete sich mithilfe der sozialen Medien innert kürzester Zeit auf internationaler Ebene aus. Die Kritik an den internationalen Konzernen fand nach der Wirtschaftskrise von 2007 allgemeine Zustimmung. Noch vor Wintereinbruch 2011 wurde in 82 Ländern und 911 Städten auf allen fünf Kontinenten protestiert.

Occupy hatte eine sehr starke Eigendynamik entwickelt und konnte die Sympathien von Persönlichkeiten wie Barack Obama gewinnen, doch all dies konnte nicht verhindern, dass die Bewegung so schnell, wie sie gekommen war, auch wieder verschwand. Zwar existierten letzte internationale Ableger der Bewegung noch bis ins Jahr 2014, doch schon 2012 hatte Occupy nicht mehr an die anfänglichen Erfolge anknüpfen können. Es ist klar, dass Occupy in puncto medialer Aufmerksamkeit eindeutig erfolgreich war. Wie viel dieser kurzweilige Fokus der Öffentlichkeit nun aber konkret verändert hat, darüber lässt sich streiten. Fest steht, dass sich das amerikanische Finanzwesen keineswegs reformierte, der globale Kapitalismus genauso präsent ist. Die Frage der sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheit ist drängender denn je. Dennoch kann auch nicht behauptet werden, die Proteste hätten nichts bewirkt. Zahlreiche (jedoch weitaus kleinere) «Grassroots»-Bewegungen rund um soziale Fragen haben ihren Ursprung in Occupy, und beeinflussen so das politische Geschehen zwar nicht auf globaler, dafür aber definitiv auf lokaler Ebene.

Das grösste Problem von Occupy war, dass die Bewegung nie konkrete Forderungen im Sinne eines Manifests oder eines offiziellen Forderungskataloges festlegte. Vielmehr war die Kritik zu allgemein, keine konkreten Adressat*innen vorhanden, die Bewegung zu unorganisiert. Was also fördert in einer Bewegung nachhaltigen Aktivismus, der nicht nach einer kurzen, aber hochintensiven Phase abflacht, sondern beständig bleibt, bis die gesetzten Ziele erreicht werden? Wenn wir dies im Hinblick auf die aktuelle Situation betrachten, müssen wir uns die Frage stellen: Gibt es einen Punkt, an dem die kollektive Nostalgie, der mediale «Klima-Hype» grösser wird als die Bewegung selbst? Obwohl die Klimastreiks zahlenmässig bereits die Proteste von Occupy übertreffen konnten, lohnt es sich, von den Erfahrungen anderer zu profitieren. So wurden beispielsweise die Handzeichen des Klimastreiks, die eine einfachere und direktere Kommunikation in grossen Gruppen ermöglichen, von Occupy übernommen. Auch der Verlauf der Proteste wurde genauer analysiert, um sich in den Anfängen der Bewegung irgendwie orientieren zu können. Nun sind wir jedoch an einem anderen Punkt, haben selbst erlebt, wie Proteste wirken können, und welche immense Organisation «hinter den Kulissen» vonnöten ist. Es wird Zeit, die Strategien des Klimastreiks mit denjenigen von Occupy zu vergleichen, aus den misslungenen Taktiken zu lernen und die erfolgreichen zu adaptieren. 

Sowohl im Klimastreik als auch bei Occupy existieren verschiedenste Vorstellungen, wie etwas erreicht werden soll. Dafür war oder ist aber das gemeinsame Ziel umso verbindender: Bei Occupy war dies die Überwindung des Kapitalismus in der aktuellen Form, beim Klimastreik die Abwendung der Klimakrise, was schlussendlich auch eine andere Wirtschaftsform bedingt. Derartige Ziele sind riesig, betreffen verschiedenste Lebensbereiche, müssen global angegangen werden, und sind daher für viele Menschen nur schwer fassbar. Deswegen ist es umso wichtiger, konkrete Vorschläge und Forderungen für die Allgemeinheit so deutlich wie möglich aufzuzeigen, also transparent zu kommunizieren. In eben diesem Punkt scheiterte Occupy. Heute, knapp neun Jahre später, stehen uns mit den unterschiedlichsten Social-Media-Kanälen immer mehr neue Plattformen zur Verfügung, um mit Menschen in Kontakt zu treten. Doch auch das alleine reicht nicht. Das kontinuierliche Aufbauen von Druck ist entscheidend: Da die Arbeit mit unseren drei Hauptforderungen nicht getan ist, ist die Ausarbeitung des Climate Action Plan umso wichtiger, um selbst aufzeigen zu können, wo die Gesellschaft jetzt handeln muss.

Eine weitere Gemeinsamkeit dieser beiden (und eigentlich aller) Bewegungen: Je mehr Menschen sich physisch beteiligen, desto grösser der Effekt auf die Medien- und Politiklandschaft. Doch da Massendemonstrationen zum einen nicht immerzu zahlenmässig zulegen können und sich zum anderen nach einer gewissen Zeit normalisieren, braucht der Klimastreik zusätzliche, neue Ausdrucksformen. Occupy hörte an diesem Punkt auf: Gewagt wurde weder der Schritt in die institutionelle Politik (auch wenn mit Bernie Sanders ein Präsidentschaftskandidat unterstützt wurde), noch ging Occupy weiter in die Offensive mit Aktionen des Zivilen Ungehorsams. Solche Aktionen haben eine unglaubliche Strahlkraft und sind, sofern sie gewaltfrei verlaufen, immens wichtig.

Was ist der nächste konkrete Schritt? Ist es letztendlich gar nicht die fehlende Triebkraft von Occupy, sondern vielmehr ein sehr geringer Handlungsspielraum in unserem demokratisch-kapitalistischen Staatssystem, welche eine Fortführung der verlangten Forderungen verunmöglicht?

Wie kann man dieser gewaltigen Maschinerie des Staates trotzdem entgegenwirken? Eine Option ist es, sich mit anderen Interessensgemeinschaften zusammenzuschliessen, und so eine grössere Reichweite zu erzielen. Immens wichtig war im Zusammenhang mit der Solidarisierung von Occupy eine öffentliche Skandalisierung und das Empören gegenüber moralischen Verstössen. Die emotionale Wertbildung einzelner Menschen bestimmt also, wie erfolgreich eine Bewegung schlussendlich sein kann, da diese die kollektive Identität prägt. Wie aber kann eine kollektive Identität geformt werden?

Den Fokus zu behalten, sich auf ein Ziel zu besinnen, das ist hierbei essentiell. Denn nur so kann die gesammelte, aus den Demonstrationen, Streiks und anderen Aktionen gewonnene Energie auch geballt eingesetzt werden. Mit Richtung. Und Ziel. Im Chaos an Chats, Organisation von Events, Interviews, Zeitungsartikeln und nebenbei Schule, Arbeit, Freund*innen und Familie verlagert sich der Schwerpunkt vom eigentlichen Zweck des Klimastreiks auf andere Themen, die an sich auch wichtig sein mögen, uns an diesem Punkt aber nicht weiterbringen. Dabei ist das Potenzial riesig: Innerhalb kürzester Zeit ist eine Plattform entstanden, die Menschen mit einem ähnlichen inneren Antrieb, einer unendlichen Motivation für das, was sie als das Wichtigste erachten, zusammenführt. Dies ermöglichte Diskussionen. Und Aktionen. Doch wir bewegen uns mit unglaublich grosser Geschwindigkeit, und das nicht nur zufällig, denn die Zeit drängt. Hier sollte Vorsicht geboten werden: Im Falle von Occupy war die rasante Vergrösserung der Bewegung und die daraus resultierende Medienwirksamkeit einer der Hauptgründe für das ebenso schnelle Ende des Kollektivs. Eine eigene, klare Struktur, ein fester Platz in der Gesellschaft, fehlte.

Links: Anja Gada, 18, zurzeit Zwischenjahr-Aktivistin, vielleicht auch für immer

Rechts: Flurin Tippmann, 19, Hobbyphilosoph, mag Tierdokumentationen und Rap

Zorn und Affekt in der Politik


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Übersetung auf Deutsch

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Im kollektiven Gedächtnis sowie in Teilen der Philosophie sind Affekte nicht politisch. Denker wie Spinoza, Lordon oder auch Mouffe haben jedoch die Rolle, die die Affekte im sozialen Kampf und im politischen Aktivismus spielen, nachgewiesen.

In der kollektiven Wahrnehmung werden die Politik und die Affekte als Antagonisten gesehen. Vom antiken Griechenland bis zur heutigen Zeit, herrscht die Vorstellung vor, dass das einzige was die Gesellschaft zur ihrer Rettung braucht Vernunft und wieder nur Vernunft ist. Dieser Diskurs, den man manchmal auch in sozialen Bewegungen wieder findet, ist hegemonial und versteckt sich hinter dem Mantel der Wahrheit ist aber bei weitem nicht so exakt wie er vorgibt zu sein, man könnte sogar sagen, dass er falsch ist.

Ein anderer Diskurs, der heimtückischer und schmeichlerischer für das Herz ist, aber dennoch ebenso gefährlich ist, ist der von positivistischen Psychologen und Glücksökonomen gepredigte Diskurs, dass nur positive Affekte notwendig sind. Dabei werden der Zorn, die Traurigkeit und andere negative Affekte im besten Fall als Irrweg, im schlechtesten Fall als Anomalie stigmatisiert. Um eine Massenmobilisation zu erreichen, müssen diese Positionen mit Methode dekonstruiert werden.

Dazu ist es zunächst notwendig, die Objekte und Konzepte um die es geht zu verstehen und sie zu definieren. Was ist also ein Affekt? Ich werde hier keine komplexe Definition vornehmen, sondern lediglich eine einfache, die wie folgt lautet: Ein Affekt ist eine Empfindung, die den Körper und den Geist beeinflusst. Mit dieser Definition ist es mir möglich folgendes zu postulieren: Die Vernunft existiert nur durch die Determination eines Affektes. Ich verstehe, dass einige Leser*innen von diesem Postulat schockiert sind, dabei ist dies keinesfalls eine neue Idee, sie taucht bereits bei Spinoza auf und es mangelt ihr nicht an Belegen. Die Psychologie zeigt seit einiger Zeit, dass unsere Urteilsfähigkeit auf der Basis von unseren Affekten funktioniert und dass wir ohne die Affekte nicht dazu in der Lage wären einen Termin zu vereinbaren oder dass wir unser gesamtes Vermögen vollkommen zufällig auf eine Zahl beim Roulette setzen würden. Wenn wir das akzeptieren, dann bringt uns das zu zwei Reflexionen:

  1. Da wir die Dinge nur durch unsere Affekte beurteilen, ist die Politik keinesfalls rationales Handeln, sondern nur eine Dynamik von Affekten.
  2. Um eine Vielzahl zu überzeugen und in Bewegung zu setzen, muss man sich gezwungenermaßen die Affekte dieser Vielzahl zu nutzen machen.

Einige fragen sich mit Sicherheit, warum dieser Artikel geschrieben wurde und worin sein Nutzen im Klimakampf besteht, genauer gesagt, wie er zu einer Reflexion über die Strategie beitragen kann. Das ist sehr einfach zu beantworten: Ich habe festgestellt, dass die Klimaaktivisten hinsichtlich dieses Aspektes aus unterschiedlichen Gründen und in unterschiedlichen Formen oft die falsche Wahl getroffen haben. Der hauptsächliche Diskurs der von einigen Umweltaktivisten, alten wie neuen, gehalten wird kann man global als „wissenschaftlich“ oder „technisch“ bezeichnen, dieser Diskurs, durch seine wissenschaftliche Exaktheit gekennzeichnet, so hofft man setzt dann den Kollektivkörper in Bewegung, um der herannahenden Krise zu begegnen. „Man weint nicht vor Zahlen“ hat schon der Abbé Pierre mit einer gewissen Richtigkeit festgestellt. Denn ja, man kann niemanden überzeugen, ohne sich exzessiv der Affekte zu bedienen, schon gar nicht in der Politik oder im Aktivismus und auf diese Technik zu verzichten, heißt sich selbst zur Machtlosigkeit zu verurteilen. Um einen vorhergehenden Satz wieder zu benutzen: Die Politik ist keinesfalls rationales Handeln, sondern nur eine Dynamik von Affekten.Wir können nicht, wenn wir wirklich effizient sein wollen, wenn wir auf die Welt einen realen Einfluss haben, auf das Ansteuern der Affekte verzichten. Dies bringt uns zu der Frage, welchen dieser Affekte wir benutzen sollten. Die Thunbergist*innen dringen auf die Angst. Ich erachte diese Wahl als unangepasst, ja sogar als gefährlich und werde dies mit Hilfe des folgenden Syllogismus erörtern: Die Angst ist der Affekt der Flucht. Um die Klimakrise zu lösen, müssen wir gegen ein System kämpfen. Wenn wir die Klimakrise lösen wollen, dann dürfen wir nicht fliehen. Des Weiteren mache ich darauf aufmerksam, dass die Rechtspopulisten sich ebenfalls der Angst als Motor bedienen, um an Macht und Einfluss zu gewinnen, denn wie ein Kind, dass sich hinter seinen Eltern versteckt, kann ein Volk im Angstzustand versuchen sich hinter eine autoritäre Führungspersönlichkeit, die die nötige Stärke zu haben scheint um das was die Angst kreiert zu besiegen, zu flüchten. Dies kann allerdings auch eine taktische Wahl sein, wenn man der Ansicht ist, dass lediglich eine grüne Diktatur oder ein ähnliches Regime in der Lage dazu ist der aufkommenden Katastrophe zu begegnen, aber dies ist eine Vorannahme, welche höchst gewagt ist.

Ein anderer Fehler wäre es, den Barden des Positivismus glauben zu schenken, da wir uns somit zur Machtlosigkeit verurteilen, denn es existiert nur ein einziger fundamentaler, positiver Affekt, die Freude, dieser tritt jedoch lediglich ein, wenn es Zufriedenheit gibt. Ebenso wie dies für die Angst der Fall ist führt man keinen Kampf, wenn die Situation zufriedenstellend ist. Es kommt zu keiner kollektiven Demonstration, wenn wir glücklich mit der Welt sind. Man greift keine Institutionen an, wenn der Magen gefüllt ist mit Freude. Nein es gibt nur einen einzigen Affekt, den wir benutzen können und sollten, falls wir die Klimakrise besiegen wollen. Dieser Affekt ist der Zorn und zwar aus einem einfachen Grund: Der Zorn ist der Affekt, den wir benutzen, wenn wir wollen, dass unser Körper sich seiner Kraft bemächtigt, um das Objekt unseres Zornes zu zerstören. Und die historischen Beispiele zeigen dies, die Revolutionen waren schon immer Momente des Zornes mit teilweise sehr klaren Motiven. Die Pariser Kommune von 1871 hat mit der Empörung über die Kapitulation gegenüber den Preußen und dem Versuch die nationalen Kanonen zu übernehmen, begonnen. Die Französische Revolution von 1789 findet in einem Klima des Zornes gegenüber den fiskalen Vorteilen, des Adels und des Klerus statt. Im Mai 68 und den Aufständen von heute die in aller Welt ausbrechen, kann man den Zorn aus den Gesichtern und auf den Transparenten lesen. Selbstverständlich ist der Zorn alleine nicht ausreichend, das ist mir bewusst. Was es braucht ist vor allem eine Reflektion über die Ursachen, die Gründe und die Herkunft unseres Zornes, um zu vermeiden die Symptome anzugreifen und ebenso ineffektiv zu sein, wie die Leute, die versuchen ihre Bäume wieder zum Blühen zu bringen, indem sie die Zweige beschneiden, obwohl es die Wurzeln sind, die vergammelt sind, oder der Boden, der giftig geworden ist. Des Weiteren müssen wir außerdem das Folgende vorbereiten. Wir müssen das, was das von uns Zerstörte ersetzen soll, so präzise wie möglich planen und vorschlagen. Denn dies sollte unsere Vorstellung von einer idealen Gesellschaft verwirklichen, ohne sich dabei Geschichten zu erzählen und ohne die Widersprüche die sich bei der Durchführung ergeben zu negligieren.

Um zusammenzufassen: Ich habe gesagt, dass wir uns unseren Affekten bedienen müssen, ich präzisiere, dass dies entlang der partikulären Modalitäten unseres soziokulturellen Kontextes geschehen muss, dessen Essenz es ist mit den Affekten zu arbeiten, um eine Nachricht zu übermitteln. Dieses Arbeiten mit den Affekten nennt sich Kunst. Also lasst uns aufhören Wissenschaftler zu sein, seien wir Künstler!

von Kolly Maxence, Mitglied des Klimastreiks Fribourg und neo-republikanischer Sozialist. (Bild rechts)

Übersetzt aus dem französischen von Zeno Polley.

Unsere Hoffnung auf der lokalen Ebene realisieren


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In diesen unsicheren Zeiten ist es wichtig, zu zeigen, dass Hoffnung immer noch existiert. Durch eine Rückkehr auf die lokale Ebene können eine echte, direkte Demokratie und ein gemeinschaftlich aufgebautes Landwirtschaftssystem im Dienste der Gesellschaft geschaffen werden.

Die Probleme und Krisen unserer Zeit, allen voran die Klimakrise, könnten schwerwiegende Auswirkungen auf den Planeten und seine Bewohner*innen haben. Die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Systeme, in denen wir geboren wurden und leben, können diese Probleme nicht nachhaltig lösen und bieten keinen ausreichenden Rahmen, um ein freies und bewusstes Leben zu leben. Ob wir es wollen oder nicht, wir hatten keine Möglichkeit, diese Systeme selber aufzubauen, oder nur in geringem Umfang. Es reicht jedoch nicht aus, sie zu verstehen und zu kritisieren, sondern wir müssen anfangen, zu handeln und Alternativen zur derzeitigen Funktionsweise unserer globalisierten Gesellschaft zu entwickeln. Auf soziale und ökologische Probleme muss daher mit einem grundlegenden Wandel reagiert werden. 

Die systemische Alternative ist per Definition die Schaffung eines unabhängigen Mikrosystems. Das Ziel ist nicht unbedingt revolutionär, aber eine Alternative kann nicht wirklich eine Alternative sein, ohne mit einem gewissen System zu brechen. Ein alternatives Modell ist daher notwendigerweise oppositioneller Natur und kann nur auf einem Widerstand gegen das System beruhen. Mit der Rückkehr auf die lokale Ebene ist es möglich, diese toxischen Systeme zu hinterfragen und kurzzuschließen, indem die sozialen, menschlichen und wirtschaftlichen Strukturen so umgestaltet werden, dass sie so nah wie möglich an den Menschen sind. Strukturelle Denk- und Entscheidungsprozesse sind vor Ort leichter zu verstehen. In der Tat spüren die Betroffenen unmittelbar die Folgen ihrer Entscheidungen und können so die Bedeutung der freien und kollektiven Wiederaneignung der politischen Macht durch die Bevölkerung verstehen. 

Aufbauend auf diesen Überlegungen haben wir uns entschieden, zwei spezifische Alternativen genauer zu betrachten. Eine politische Alternative für das Volk und eine landwirtschaftliche Alternative. Mit dem Wunsch, eine alternative Form der sozialen Organisation auf lokaler Ebene etablieren zu wollen, wird ein konkretes Ziel verfolgt: Die Verwirrung um die Bedeutung des Begriffes “Politik” aufzulösen und dessen originale Bedeutung wiederzufinden.

Die sozialen Fragen, die die gesamte Bevölkerung betreffen, sollten auf lokaler Ebene in Diskussionen und Entscheidungen behandelt werden, an denen eben diese Bevölkerung teilnimmt. Dies steht im Gegensatz zur jetzigen Situation, in der die meisten Überlegungen und politischen Entscheidungen auf Vorentscheidungen basieren, die in weiter Entfernung getroffen wurden und von einer nicht rechenschaftspflichtigen Bürokratie reguliert werden. Die geographische und soziale Nähe der Menschen erlaubt es hingegen, sich mit den verschiedenen Akteuren, die im gleichen Kontext leben, vertraut zu machen und gemeinsam Lösungen zu finden, die den Kontext sowie die Interessen und Bedürfnisse jedes Einzelnen berücksichtigen.

Dadurch wird es auch eine Rückkehr zu einem essentiellen Aspekt der Demokratie ermöglicht, der im jetzigen System vernachlässigt wird: der Prozess von Diskussion und Debatte, in dem die eigenen Meinungen und Argumente auf die Probe gestellt werden können. Überlegungen, die zu neuen und besseren Gedanken führen, können durch das neue Wissen und die neuen Perspektiven, die diese Debatte mit sich bringt, gefördert werden. Der wichtigste Vorteil dieses lokalen Systemes ist der Umstand, dass die Entscheidungsmacht endlich wieder bei den Menschen ist, die wirklich von den Entscheidungen berührt werden. Konkret könnte dieses System auf der Grundlage von konsensorientierten Prozessen mit Vollversammlungen, Debatten und Arbeitsgruppen funktionieren, die aus Expert*innen und den betroffenen Akteure bestehen. In der Regel werden Entscheidungen mit einfacher Mehrheit getroffen. In einigen Fällen können regionale Konföderationen aus gewählten Delegierten der verschiedenen Gemeinden mit spezifischen Mandaten bestehen. Mit der Einhaltung der Prinzipien der Inklusivität und Transparenz liegt der Prozess wirklich in den Händen des Volkes. 

Kommen wir nun zu der landwirtschaftlichen Alternative. Einerseits hat das derzeitige globalisierte, produktivistische, industrielle Landwirtschaftsmodell der Landwirtschaft seine vielen Mängel und moralischen Widersprüche deutlich gemacht. Das Kollaps der biologischen Vielfalt, der insbesondere durch die intensive Viehhaltung und den massiven Einsatz von Pestiziden verursacht wird, ist ein echtes Problem. Es ist notwendig, landwirtschaftliche Praktiken einzuführen, die grundsätzlich umweltfreundlich sind und nicht von fossilen Brennstoffen abhängig sind. Durch die Verringerung der Größe der Betriebe, die Abkehr von der Monokultur und der intensiven Viehzucht und die Erhöhung des nichtmechanisierten Anteils der Arbeit ist eine Rückkehr zu einer widerstandsfähigeren Landwirtschaft möglich, die unabhängig von fossilen Brennstoffen und synthetischen Produkten ist, wodurch die Hauptprobleme des derzeitigen Systems gelöst werden. Andererseits ist auch klar, dass die Kluft zwischen der Landwirtschaft und der übrigen Gesellschaft immer größer wird. 

Durch die Rückkehr auf die lokale Ebene und die Erhöhung der Zahl der Beschäftigten im Primärsektor ist es möglich, diese zu verringern. Es ist dann leichter, qualitativ hochwertige Produkte für alle zugänglich zu machen und dabei sowohl die geographische als auch die soziale Nähe wieder herzustellen. Dies bedeutet, die zwischenmenschlichen Beziehungen zu stärken und zu vervielfachen und den Austausch von Werkzeugen und Wissen zu fördern. Um die Umsetzung solcher Alternativen zu ermöglichen, besteht ein wichtiger erster Schritt darin, über die Rolle nachzudenken, den die Landwirtschaft derzeit in unserem Leben einnimmt. Nur durch die Kultivierung und Aufzucht von Tieren können wir uns ernähren; wie konnte sich eine so lebenswichtige Tätigkeit wie die Nahrungsmittelproduktion so weit von unserem täglichen Leben entfernen? In den meisten westlichen Ländern haben wir uns eine von unserer Umwelt entfremdete Lebensweise angeeignet. Aber wir müssen jetzt wieder lernen, wie wir unsere eigenen Lebensmittel produzieren können. Deshalb ist es wichtig, hier und da agroökologische Mikrofarmen zu errichten, die auf dem Land oder in der Stadt produzieren, unabhängig davon, ob sie selbstverwaltet oder partizipatorisch sind. Im Grunde geht es darum, sich das Land und seine Produkte wieder anzueignen, aber vor allem darum, die Verbindung, die wir mit ihm haben, neu zu überdenken. Die Schaffung einer Alternative geht in allen Bereichen mit einer Rückkehr zu den Grundlagen einher. Damit eine lokale Alternative funktionieren kann, muss eine Gemeinschaft also alle Mittel selber in der Hand haben und sich von der Komplexität und Widerstandsfähigkeit der Ökosysteme inspirieren lassen, um in Harmonie mit ihrer Umwelt zu leben. Aus strategischer Sicht ist die Umsetzung konkreter und funktionierender Alternativen sicher Teil einer Vision eines Systemwandels, sei es ein revolutionärer oder ein langsamer. Es ist notwendig, zu zeigen, dass es noch etwas anderes gibt, um die Lust auf Wandel anzustacheln und auf Dauer am Leben zu erhalten.

Paula Rouiller, 18, Aktivistin und Studentin

Oliviero Reusser, 22, Aktivist

Von der Herkunft und der Nützlichkeit des Streikes


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Übersetzung auf deutsch

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Das Wort Streik ist in der Schweiz in aller Munde. Zwei Bewegungen, die eine feministisch und die andere ökologisch, bekennen sich zum Streik und haben diesen Begriff in der Tat popularisiert. Eine Losung schwebt in der Luft: Auf dem Weg zum Generalstreik! Aber was genau ist eigentlich ein Streik?

Ein Streik ist die Einstellung der ökonomischen Aktivitäten durch die Arbeiter*innen, welche divergierende Interessen von denen der Arbeitgeberschaft haben. Der Streik kann unterschiedliche Formen annehmen oder mehrere Aktionen vereinen, wie zum Beispiel Demonstrationen, Sabotage, Aktionen, die die Möglichkeiten der Organisation nutzen, Gerichtsprozesse, Verhandlungen etc. Das Ziel des Streikes ist es die Rechte der Arbeitnehmer zu verteidigen oder neue zu bekommen. Das Interesse eines Streikes kann sehr spezifisch sein (eine Entscheidung einer Unternehmung) oder aber sehr weit gefasst (soziale Fortschritte für die gesamte Bevölkerung).

Arbeitskonflikte existieren seit langer Zeit. Seit Beginn der Spezialisierung haben die Dominierten immer Phasen des Kampfes gegen die Domminierenden gekannt. Diese Konflikte hatten verschiedene Formen. Im 19. Jahrhundert haben die sozialistischen Arbeiterbewegungen verschiedene Formen im Kampf gegen das Unternehmertum angewendet [1], darunter auch den Streik. Als eine wichtige, wenn nicht sogar zentrale, Aktionsform hat der Streik die Jahrzehnte überdauert und bleibt sogar in der Schweiz ein kraftvolles Mittel.

Viele Beispiele zeigen es, der Streik ist effektiv! In Frankreich haben die Streiks und Besetzungen von Unternehmungen im Jahr 1936 dazu geführt, dass es bezahlten Urlaub gibt. Die Mobilisation 1968 führte zu einem generellen Gehaltsanstieg. Auch in der Schweiz haben Streiks kürzlich zu unleugbaren Erfolgen geführt [2] und dies trotz starker Repression durch die Arbeitgeberschaft, einem lächerlichen, rechtlichen Schutz der Arbeitnehmer (die IAO prangert die Schweiz dafür an) und einer prozeduralen Behinderung des Streikrechts. So hat das Rohbauwerk die vorzeitige Rente mit 60 Jahren erwirkt. Der Streik ist nicht nur ein Mittel zur Verteidigung, sondern auch ein effektives, offensives Mittel.

Damit ein Streik in der Schweiz zulässig ist, muss er sich auf die Beziehungen zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerschaft beziehen, den Arbeitsfrieden respektieren, wenn er in einem Tarifvertrag festgehalten wurde und er muss ebenfalls die letzte mögliche Lösung sein. Der Streik kann spontan sein, oder aber wie meistens im Vorfeld von einer Gewerkschaft organisiert werden. Die Einstellung der Aktivität kann in der Dauer variieren, von mehreren Stunden bis hin zu mehreren Tagen. Weil die Arbeitnehmer*innen während dieser Zeit nicht bezahlt werden übernehmen Streikfonds den Gehaltsaufall der Arbeitnehmer*innen. Die Sekretäre, welche oft von den Gewerkschaften bezahlt werden, spielen eine zentrale Rolle, sie führen ein Mandat, erteilt von den Streikenden, aus. Es ist ein gemeinsamer Kampf, welcher starke Verbindungen und eine Solidarität zwischen den Streikenden entstehen lässt. Aber ein Streik ist schwierig zu führen und es ist selten, dass die Forderungen vollständig erfüllt werden. Dennoch zeigen viele Beispiele die Effektivität von Streiken in den folgenden Bereichen: Verringerung von gestrichenen Stellen, Erhöhung des Lohns, oder einen vorzeitigen Ruhestand. Damit der Streik erfolgreich ist, muss eine Kohäsion zwischen den streikenden Personen bestehen, aber es müssen auch finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, um sie zu unterstützen.

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Des Weiteren muss auch außerhalb der Streikszene Druck aufgebaut werden. Es ist selten, dass keine der von den Streikenden gestellten Forderungen erfüllt wird.

Unsere Bewegung hat ihre Anfänge in Schulstreiken genommen. Dies ist untypisch, obwohl unsere Aktionen weder neuartig, noch singuläre Ereignisse sind. In unserem Fall war der Streik nahezu wild, das heißt ohne das er von einer Gewerkschaft geplant wurde, teilweise war er sogar spontan (die Streikenden haben sich teilweise am selben Tag dazu entschieden, dass sie ihre Bildungsaktivität, welche als Form der Arbeit angesehen werden kann, einstellen) und nach der Schweizer Rechtsprechung war er „politisch“ (obwohl jeder Streik per se politisch ist). Die ersten Streiks waren ein Aufschrei des Herzens, gerichtet an die Unternehmen, aber vor allem auch an den Staat, die entstandene Sogwirkung überschreitet bei weitem die Grenzen der Bildungsinstitutionen. Aber wir haben mehr und mehr Verbindungen mit den Gewerkschaften (aber auch mit den streikenden, feministischen Kollektiven) und das unpräzise Wort Generalstreik nimmt zunehmend Form an, die Ziele und die Forderungen werden zunehmend konkreter. Der erste Meilenstein auf dem Weg zum Generalstreik wurde festgelegt: Der 15. Mai 2020.

Wir stellen uns vor allem die Frage, wie wir streiken wollen. Das Warum jedoch ist zentral. Wenn wir streiken, dann ist das, weil der Streik sowohl sozial als auch politisch ein effektives Mittel ist. Die Wirtschaft ist zentral bei der Frage nach der ökologischen Krise und sie spielt eine zentrale Rolle in unserem politischen System. Eine Veränderung bei der Produktion, bei der Verteilung der Güter und bei den öffentlichen Diensten ist eine Veränderung im Zentrum der Macht. Folglich öffnet uns dies die Bahn für die konsequenten Veränderungen, die wir brauchen. Der Streik ist ein kollektives Mittel, welches weitaus wirkungsvoller ist als die Mehrzahl der individuellen Aktionen. Er ermöglicht es den Arbeitnehmer*innen dafür zu kämpfen, dass die Maßnahmen, die die Klimakrise abschwächen sollen, nicht antisozial sind.

Um die Arbeitnehmer*innen zu erreichen brauchen wir die Gewerkschaften (aber wir müssen uns ebenfalls in anderen Strukturen Unterstützung suchen), ihren Aktionsformen, ihren Streikfonds und ihrer Erfahrung. Wir müssen umfassend mit ihnen und allen anderen progressiven Kräften konvergieren.

Was nach dem Generalstreik passiert bleibt noch offen, wird jedoch mit Fortschreiten des Kampfes determiniert werden. Aber es ist fundamental sich die Frage nach dem Ziel des Generalstreikes zu stellen. Selbstverständlich sind die Ziele ökologischer und sozialer Natur, aber sollte der Streik, wie es einige befürworten zu einem Umsturz der „alten Welt“ führen, dasheißt einer Überwindung der Klassengesellschaft, der kapitalistischen Gesellschaft als Ganzes? Sollte er ein Element sein, in der Kette der Dinge die zu diesem Ziel führen? Sollte er die Leiter*innen der großen Unternehmen und des Staates aus ihren Positionen verdrängen um sie zu ersetzen? Sollte er zum Wandel anregen, ohne dabei jedoch die wirtschaftlichen Strukturen zu stürzen? All diese Positionen und noch andere gibt es in unserer Bewegung. Ich persönlich unterstreiche jedoch, dass es meiner Meinung nach nicht möglich ist unsere Ziele zu erreichen, wenn unser wirtschaftliches System auf unendlichem Wachstum, in einer Welt mit endlichen Ressourcen, basiert. Ich würde sogar so weit gehen die Aufhebung der Dreieinigkeit Kapital- Staat-Nation [3] zu fordern, aber jede*r muss selbst über diese Frage nachdenken.

Was also tun? Die Frage wird nur in der Aktion gelöst werden.

Streiken wir alle gemeinsam am 15. Mai 2020!

Robin Augsburger, Zivildienstleistender, Bachelorabschluss in Bio- und Ethnologie. Aktiv in den Bereichen Ökologie, Migration und in Studentengewerkschaften.

Quellen:

[1] POUGET Emile, Le Sabotage, 1911, disponible à l’adressehttps://infokiosques.net/IMG/pdf/Le_sabotage_-_Emile_Pouget.pdf

[2] ALLEVA Vania, RIEGER Andreas (éd.), Grèves au 21e siècle, Rotpunktverlag, 2017, Zürich

[3] KARATANI Kojin, Structure de l’histoire du monde, CNRS Éditions, 2018, Paris

Ökologie und Antikapitalismus: eine glückliche Ehe?


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Übersetung auf Deutsch

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Die Klimabewegung verbreitet sich wie ein Lauffeuer. Grund dafür ist die Feststellung, dass das Klima sich tatsächlich verändert. Aber bei einer Frage gehen die Meinungen auseinander: Gibt es einen grünen Kapitalismus?

“Der Mensch führt Krieg gegen die Natur”, stellte Antonió Guterres einige Tage vor Beginn der UNO-Klimakonferenz (COP25) fest. Mit dem Klimawandel verhält es sich tatsächlich ganz einfach: Jedes einzelne Treibhausgas-Molekül heizt die Atmosphäre ein bisschen mehr auf. Dieser Krieg ist also zudem ein Wettlauf gegen die Zeit. Das Problem verschlimmert sich immer mehr und der schicksalhafte Moment, in dem wir unser CO2-Budget aufgebraucht haben, rückt immer näher.

In den Augen mancher ist der Kapitalismus für die Situation verantwortlich und deshalb sei es notwendig, diesen zu bekämpfen. Für andere ist das Problem hauptsächlich technischer Natur und deshalb sollte uns die Technik helfen. Ich gehörte lange zur ersten Gruppe und ich werde versuchen, Ihnen zu erklären, weshalb ich mich mit keiner der beiden Ansichten mehr identifizieren kann.

Meiner Meinung nach ist einer der häufigsten Irrtümer derer, die den Kapitalismus bekämpfen, die Ansicht, dass der Kapitalismus dazu da sei, irgendein Ziel zu erreichen. Dies ist nicht der Fall. Der Kapitalismus ist überhaupt nicht zielorientiert. Die Art, wie er organisiert ist, zielt bloss auf Wettbewerb ab. Einzig der pseudo-demokratische Staat setzt eine Grenze, die diese wirtschaftliche Anarchie davor bewahrt, sich selbst zu zerstören. Genau diesen Wettbewerb zwischen den kapitalistischen Akteuren könnte man sich zu Nutze machen.

Tatsächlich können unternehmerische Aktivitäten wettbewerbsfähiger werden als konkurrierende Alternativen, abhängig von den Zwängen des freien Marktes. Man könnte nun so vorgehen, dass man gewisse Unternehmen anvisiert, die Marktanteile durch eine Verschärfung der ökologischen Auflagen gewinnen würden. 

Ein konkretes Beispiel: Gaskraftwerke stossen etwa 490 g CO2/kWh aus, im Gegensatz zu Kohlekraftwerken mit etwa 1000 g CO2/kWh. Eine CO2-Abgabe erhöht nun den Preis beider Energieformen, wobei derjenige für die Energie aus dem Gaskraftwerk immer noch halb so hoch ist wie jener für die Energie aus dem Kohlekraftwerk. Deshalb liegt es im Geschäftsinteresse der Gasunternehmen, eine Erhöhung der CO2-Abgabe zu fordern, die leicht unter dem Preis liegt, bei dem das Gas wettbewerbsfähig wird. Diese Erkenntnis stammt vom Thinktank “The Shift Project”, der den Geschäftsführer von Total, einem französischen Erdgasunternehmen, davon überzeugte, sich für eine Erhöhung der CO2-Abgabe einzusetzen. Deshalb ging ein Verkäufer fossiler Energie dazu über, bei der Europäischen Kommission für eine Erhöhung der CO2-Abgabe zu lobbyieren. Und deshalb stieg auch der Preis für das CO2in Europa von 4.79 € pro Tonne im Jahr 2013 auf aktuell über 25 € pro Tonne. 

Klar ist dies nicht ausreichend, aber es zeigt gut, wie man sich des Konkurrenzkampfs zwischen kapitalistischen Akteuren bedienen kann, um ökologische Ziele zu erreichen. Wir können die Dirigenten dieses liberalistischen Requiems werden. Wieso sollte man sich nicht mit handverlesenen Lobbys zusammentun und für eine gewisse Zeit zusammenarbeiten? Natürlich entspricht diese Art von Strategieänderung einer 180-Grad-Wende, aber zeugt das Hinterfragen bisheriger Strategien nicht auch von Intelligenz? Und war es doch schlussendlich im Zweiten Weltkrieg nicht der Zusammenschluss der Kommunisten und der Kapitalisten, der die Faschisten in Europa in die Knie zwingen konnte?

Wir befinden uns in einem Wettlauf gegen die Zeit. Und wir verfügen nicht über den Luxus, das System zu verändern, bevor es zu spät ist. Die Natur ist in diesem Fall noch grausamer als die Wirtschaft, denn ihre Regeln sind weder verhandelbar, noch kann man einfach gegen sie verstossen oder gegen sie ankämpfen. Wenn unser CO2-Budget einmal aufgebraucht ist, haben wir verloren. Nicht mehr, nicht weniger. So sieht unser Kampf aus. Bei jedem Schritt, den wir unternehmen, müssen wir uns nicht nur überlegen, ob er der Sache dient, sondern auch, ob er mit den globalen Umweltschutz-Massnahmen einhergeht, die in der uns verbleibenden Zeit ergriffen werden können. Dies ist übrigens auch der Grundsatz der Wachstumskritik: Alles, was wir tun, muss innerhalb der begrenzten Ressourcen unseres Planeten geschehen. Deshalb müssen wir manchmal vielleicht auch etwas Unangenehmes tun. Genau das ist Wachstumskritik: Uns zurückzunehmen bezüglich unseres Handelns auf der Welt.

Und als leidenschaftlicher Antikapitalist tröste ich mich mit dem, was Yves Cochet einst sagte: “Nicht der Klassenkampf wird zur Überwindung des Kapitalismus führen, sondern die Geologie”. Wir sollten keine Energie darauf verschwenden, ein System zu bekämpfen, das sowieso von hier verschwinden wird – in den nächsten Jahren oder zumindest in den nächsten Jahrzehnten. Wir sollten uns auf den Aufbau dessen konzentrieren, was nach dem Kapitalismus kommt. Aber vor allem sollten wir unsere Kräfte auf einen Kampf konzentrieren, der weit über die vergleichsweise kleinen Probleme der meisten Menschen hinausgeht. Nämlich nicht auf den für wirtschaftliche oder politische Systeme, sondern auf den Kampf für das Leben. Im Grunde genommen gibt es ja nichts Egoistischeres, als die Erde verkümmern zu lassen, bloss weil uns die gesellschaftliche Ordnung einer einzelnen Spezies – also unserer eigenen – nicht gefällt, oder nicht?

Fabrice Bourquenoud, Klimastreik-Aktivist Fribourg, Student der Biologie und Umweltwissenschaften.

Ecologia e anticapitalismo: un matrimonio felice?


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Traduzione italiana


Dappertutto, dei movimenti ecologisti emergono e sono concordi sul cambiamento climatico. Ma una domanda li dilania; «capitalismo» può essere scritto in verde?

“La specie umana è in guerra contro la natura” dichiarava Antoniò Guterres qualche giorno prima dell’apertura della COP25. In effetti, il cambiamento climatico è di una semplicità sbalorditiva: ogni molecola di gas ad effetto serra riscalda un pochino di più l’atmosfera. Questa guerra è perciò anche una corsa contro il tempo. Il problema non fa che peggiorare e lo scorrere del tempo ci avvicina al fatidico momento in cui avremo superato il budget di carbonio.

Per certi/e, è il dogma capitalista che spinge verso questa situazione ed è quindi necessario, secondo loro, combattere quest’ultimo. Per altri/e il problema è soprattutto tecnico ed è pertanto la tecnologia che lo risolverà. Ho per molto tempo fatto parte del primo gruppo e tenterò di spiegarvi perché non mi identifico più in nessuna di queste due idee.

Secondo me, un errore comune delle persone che combattono il capitalismo è di pensare che questo sia progettato per raggiungere non so quale obiettivo. Non è questo il caso. Il capitalismo non è assolutamente pensato per raggiungere un obiettivo. La sua organizzazione mira solo a promuovere la concorrenza con come unico limite lo stato pseudo-democratico, il cui ruolo è di evitare che questa anarchia economica si autodistrugga. Perché non usare questa competizione tra capitalisti?

In effetti, delle attività economiche possono diventare più competitive che delle concorrenti alternative a seconda dei vincoli applicati al mercato. Un modo di agire può quindi consistere nel prendere di mira le società che guadagnerebbero quote di mercato inasprendo un vincolo ecologico.

Un esempio reale: Le centrali elettriche a gas emettono circa 490g di CO2/kWh contro i circa 1000 del carbone. Una tassa sul carbonio aumenta quindi il prezzo di questi due tipi di energia, tuttavia quella del gas cresce 2 volte meno di quella del carbone. È pertanto nell’interesse commerciale delle società del gas richiedere un aumento della tassa sul carbonio leggermente al di sopra del prezzo al quale il gas diventa competitivo. Questo è quanto ha affermato il Think Tank The shift project che ha convinto il CEO di Total, la compagnia petrolifera e del gas francese, a fare una campagna per un aumento della tassa sul carbonio. È così che un commerciante di combustibili fossili ha iniziato a premere con forza la sua lobby sulla commissione europea per aumentare la tassa sul carbonio. Ed è anche così che il prezzo del carbone in Europa è passato da 4,79 € alla tonnellata nel 2013 a più di 25 € attualmente.

Certo, questa azione non è sufficiente, ma questo mostra bene come un movimento organizzato può servirsi della lotta tra capitalisti per raggiungere degli obiettivi ecologici. Diventiamo direttori d’orchestra del requiem del liberalismo. Perché non scegliere delle lobby selezionate con cura con le quali faremmo temporaneamente delle alleanze? Certo, questo genere di cambiamento strategico rappresenta un giro a 180 gradi, ma non è la messa in discussione il marchio dell’intelligenza? Dopo tutto, non è storicamente l’alleanza dei blocchi comunisti e capitalisti che in una lotta comune ha potuto rovesciare il fascismo in Europa?


Nella corsa contro il tempo nella quale siamo impegnati/e, non abbiamo il lusso di cambiare il sistema prima che non sia troppo tardi. È là dove la natura è ben più crudele che l‘economia: le regole non sono né negoziabili, né trasgressibili, né contrastabili; una volta esaurito il nostro bilancio di emissioni di carbonio, abbiamo perso. Né più, né meno.

È quindi in questo contesto che si inserisce la nostra lotta. Per ogni azione, ci dobbiamo domandare non solo se questa sia pertinente, ma anche se questa si inserisce nella strategia globale compatibile con la conservazione dell’ambiente nei tempi stabiliti. Questa è, inoltre, la base della critica della decrescita, per cui tutte le azioni devono essere pensate entro il quadro limite del mondo e talvolta questi limiti ci portano a delle azioni per le quali siamo riluttanti. È esattamente questa la decrescita; la riduzione della nostra capacità di agire sul mondo.

Quanto a me sono un fervente anti capitalista, e mi consolo con la frase di Yves Cochet “non è la lotta di classi che vincerà sul capitalismo ma la geologia”. Non sprechiamo la nostra energia combattendo un sistema destinato a scomparire nei prossimi anni o al massimo nei decenni a venire. Concentriamo le nostre forze sulla costruzione di un dopo, ma soprattutto, concentriamo le nostre lotte sul combattimento che va ben oltre le basse considerazioni umane sui sistemi economici e politici; la lotta per il vivente. In fondo, cosa c’è di più specista che lasciar deperire la Terra semplicemente perché l’organizzazione sociale di una sola specie non ci piace?

Fabrice Bourquenoud, Attivista per gli scioperi climatici di Friburgo, Studente di biologia e scienze ambientali

Forderungen für die Zukunft


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Sollte der Strike for Future konkrete Forderungen für den 15. Mai 2020 und darüber hinaus enthalten? Auf jeden Fall. Aber aus welchen Gründen? Welche Art von Forderungen? Wie? Und vor allem, was genau sollen wir verlangen?

Die Klimastreikbewegung ist nun über ein Jahr alt. Auf sehr emotionale und spontane Weise gestartet, ist sie im Laufe der Monate gereift und die Forderungen weiter spezifiziert worden. Lassen Sie uns auf die Entwicklung dieser Forderungen und ihre notwendige Intensivierung zurückkommen. Die erste Forderung fordert die Anerkennung des «Klima-Notstands» durch die staatlichen Institutionen. Die zweite Forderung legt das Ziel fest, in der Schweiz bis 2030 Treibhausgasneutralität (CO2 Netto-Null) zu erreichen, ohne den Einsatz von Kompensationstechnologien, mit einem Rückgang der Emissionen ab 2020. Die dritte Forderung betrifft das Prinzip der «Klimagerechtigkeit», dessen Definition auf dem Kongress verabschiedet wurde, was generell bedeutet, dass wir antisoziale Maßnahmen ablehnen. Auf diese Forderungen folgt ein Zusatz: Wenn sie innerhalb des bestehenden «Systems» nicht erreicht werden können, müssen wir das System ändern.
Nach einem Jahr des Bestehens der Bewegung ist klar, dass diese Forderungen nach wie vor unpräzise sind. Die erste (Klima-Notstand) führt nichts Konkretes ein. Die zweite (Netto-Null) macht keine Vorschläge, wie die Emissionen reduziert werden können. Der dritten (Klimagerechtigkeit) mangelt es an Klarheit, und trotz einer national vereinbarten Konsensdefinition gibt es immer noch viele Diskussionen über ihre praktischen Auswirkungen. Schließlich sagt uns der Zusatz zum «Systemwechsel» absolut nichts über die Natur des «Systems».

Zunächst waren diese Ungenauigkeiten auf den Wunsch der Bewegung zurückzuführen, spaltende Positionen zu vermeiden, zumal wir nicht über die Mittel verfügten, um direkte «Lösungen» für die Klimakatastrophe vorzuschlagen. In der Praxis entschieden die Regionalgruppen oft anders: Im Kanton Neuenburg wurden Volksanträge auf kantonaler und kommunaler Ebene lanciert und angenommen [1]; im Kanton Waadt wurde ein mehrere Dutzend Seiten umfassender Klimaplan in partizipativer Weise erstellt [2], usw. [3].

Diese Notwendigkeit, genauere Handlungsoptionen zu skizzieren, wird mit zunehmender politischer Reife der Bewegung immer stärker. Die Definition konkreter Forderungen und Maßnahmen ist zudem ein zentraler Aspekt des für den 15. Mai geplanten Strike for Future. Die Herausforderung besteht darin, sowohl legale Streiks, die von den Gewerkschaften unterstützt werden, zuzulassen als auch gleichzeitig die Selbstorganisation der arbeitenden Bevölkerung zu fördern, die je nach Sektor oder Unternehmen an die Formulierung von Forderungen herangeführt wird, die die Menschen direkt betreffen. Dieser Artikel untersucht die Relevanz konkreter Forderungen und unterscheidet dabei zwischen rechtlichen und allgemeinen Forderungen einerseits und transversalen, sektoralen und betrieblichen Forderungen andererseits und stellt einige Ideen für Forderungen vor.

Eines der Ziele des Strike for Future ist es, den Streik auf die Arbeitsplätze auszuweiten oder zumindest die Beschäftigten mit Unterstützung der Gewerkschaften in die Klimabewegung einzubeziehen. Aber über welche Art von Forderungen sprechen wir? Es gibt verschiedene Arten. Zunächst einmal müssen wir legitime und ideelle Forderungen gegenüberstellen.

Damit ein Streik rechtmäßig ist und die Beschäftigten nicht gefährdet, muss er sich auf Forderungen im Zusammenhang mit den Arbeitsbedingungen stützen. Es geht darum, konkrete und präzise Forderungen zu formulieren, und sie dennoch mit Klima- und Umweltfragen zu verknüpfen suchen. Dies hat für uns und für die Gewerkschaften angesichts des 15. Mai absolute Priorität. So könnten Beschäftigte beispielsweise einen Stopp der Verwendung von toxischen Produkten im Landschaftsbau, bezahlten Urlaub bei großer Hitze auf den Baustellen usw. fordern. Zusätzlich zu Forderungen in Bezug auf die Arbeitsbedingungen, die für die Legitimierung des Streiks unerlässlich sind, könnten Arbeiterinnen und Arbeiter weiter gefasste und übergreifende Forderungen formulieren: demokratische Kontrolle der Produktion und der Dienstleistungen, Verstaatlichung der Finanzinstitutionen, den klimatischen Ausnahmezustand, der den Staat zur Überprüfung seines Haushalts zwingt, usw. Diese Themen scheinen weniger unmittelbar zu sein, aber sie sind von zentraler Bedeutung, um einen wünschenswerten Horizont für die Mehrheitsbevölkerung zu skizzieren.
Je nach Ebene, auf der sie operieren, lassen sich verschiedene Arten von Forderungen unterscheiden. Sie können ein Unternehmen oder eine Einrichtung betreffen (vegane Kantinen, Masken gegen toxische Produkte, vermehrtes Recycling usw.); einen Tätigkeitsbereich (für ganze Branchen geltende Normen, Arbeitgeber-Finanzierung von Weiterbildungskursen zur Neuorientierung usw.); oder auch die Gesellschaft als Ganzes betreffen (Stopp der Einfuhr von Produkten, deren Verkauf in der Schweiz verboten ist, Arbeitszeitverkürzung, Besteuerung der Gewinne von Grossunternehmen zur Finanzierung ökologischer Massnahmen usw.).

In der Bewegung für den Strike for Future müssen wir daher für jeden Sektor oder jedes Unternehmen spezifische Forderungen aufstellen, die die Streikaktionen jeweils legal machen. Aber wir müssen auch Perspektiven für politische Maßnahmen eröffnen, um auf den Klima-Notstand (der auch ein sozialer Notstand ist!) zu reagieren, da sonst die Arbeitnehmerinnen Gefahr laufen, sowohl für Umweltprobleme als auch für die Maßnahmen, die die Regierungen zur Bewältigung einer Situation ergreifen, die über sie hinausgeht, zu bezahlen. Tatsächlich ist die Unbeweglichkeit der politischen Institutionen nach einem Jahr der Mobilisierung für das Klima erschreckend. Es ist zu befürchten, dass die «grüne Welle» an dieser vorherrschenden Apathie nicht viel ändern wird. Können wir daher hoffen, das Worst-Case-Szenario zu vermeiden, bei dem die Emissionen weiterhin dramatisch ansteigen, eine kaum vorstellbare globale Katastrophe verursachen und im Gegenzug die Entwicklung autoritärer Machtstrukturen zur Bewältigung der Situation rechtfertigen? In jedem Fall ist es entscheidend, die Bevölkerung in diese Überlegungen einzubeziehen, damit die Menschen aufgrund ihrer persönlichen Erfahrungen, insbesondere am Arbeitsplatz, Verantwortung für politisches Handeln übernehmen, und damit während des Übergangs Interessen der gesellschaftlichen Mehrheit und nicht Interessen der politischen Anführerinnen, des Großkapitals und des Finanzsektors gedient wird.
Wie können also diese vielfältigen Forderungen ausgearbeitet werden? Vorerst definiert der Klimastreik seine Forderungen auf den eigenen nationalen Kongressen. Dies hindert regionale Gruppen nicht daran, zusätzliche, lokal geltende Forderungen zu definieren. Unsere Bewegung hat übrigens beschlossen, dass die konkreten Forderungen für den 15. Mai vor allem von den betroffenen Mitarbeiterinnen regional definiert werden sollen. Dies hindert eine von einem Plenum des Fünften Nationalkongresses legitimierte Arbeitsgruppe nicht daran, an einem nationalen Manifest zu arbeiten. Die aktuelle Strategie, die dem Schweizer Föderalismus und den regionalen Besonderheiten in gewerkschaftlicher, sozialer usw. Hinsicht angepasst zu sein scheint, besteht daher aus einer dezentralisierten und autonomen Konzeption von gesetzlichen Forderungen – aber de facto auch aus allgemeineren Forderungen, die von lokalen Klimastreikgruppen, Gewerkschaften, Kollektiven für den FrauenStreik usw. ausgehen.

Diese Dezentralisierung kann das Risiko von Spannungen auf nationaler Ebene erhöhen, da einige Forderungen möglicherweise nicht miteinander vereinbar sind. Sie kann auch die Botschaft einer heterogenen und doch vereinten Bewegung verwischen. Der dezentralisierte Aspekt hat jedoch viele Vorteile. Lokale Kollektive fügen sich in einen Kontext ein, der den beteiligten Personen vertraut ist. Die Forderungen und Aktionen werden je nach dem Grad der Kampflust und dem Standort der Gewerkschaften den lokalen Möglichkeiten angepasst. Es ist essentiell, Repressionen durch den Arbeitgeber so weit wie möglich zu vermeiden und den Mitarbeiterinnen die Möglichkeit zu geben, entsprechend ihrer eigenen Motivation, ihres Bewusstseins und ihrer unmittelbaren Sorgen zu handeln. Dies ermöglicht, Menschen einzubeziehen, die ihre Arbeitsumgebung, die Produktionsbedingungen und all das, was dies in sozialer, gesundheitlicher oder ökologischer Hinsicht bedeuten kann, besser als jeder andere kennen. Kurzum, wir glauben, dass dies ein vernünftiger Weg zu einer progressiven Aneignung des Umweltkampfes durch die Bevölkerung ist, die unerlässlich ist, wenn wir eines Tages unser Motto der Klimagerechtigkeit erreichen und uns auf einen echten, demokratischen und sozial gerechten ökologischen Übergang zubewegen wollen.

Aus all diesen Gründen ist es sinnvoll, starke lokale Autonomie zuzulassen, sowohl im Rahmen unserer Bewegung als auch im Rahmen des Strike for Future. Dies sollte jedoch keineswegs die Entwicklung von Forderungen verhindern, die später von der nationalen Klimastreikbewegung oder sogar von einer breiteren ökologischen Front unterstützt werden können.

Im Folgenden sind einige Beispiele für Forderungen für zukünftige Debatten aufgeführt. In einigen Umwelt-, Frauen*- und Gewerkschaftskreisen kursiert derzeit eine interessante Forderung: die Verkürzung der Arbeitszeit ohne Lohnverlust. In der Tat bedeutet die Verringerung unserer Umweltauswirkungen langfristig eine Verringerung der Gesamtproduktion von Gütern, indem bestimmte als unbrauchbar erachtete Produktion eliminiert wird. Weniger zu produzieren, würde es ermöglichen, die Arbeitsbelastung zu verringern und in einigen Fällen Geschäftsreisen zu reduzieren. Dies wäre natürlich ein Gewinn an Lebensqualität für die Beschäftigten, da mehr Zeit für andere Aktivitäten zur Verfügung stünde: Erholung, Freizeit, Selbstproduktion (Gartenarbeit, Kochen usw.). Sie wäre auch für die Gesundheit von Vorteil, da sie das Risiko von Krankheiten und Arbeitsunfällen verringern würde. Schließlich erlaubt mehr Freizeit ein stärkeres Engagement in assoziativen und politischen Bereichen und damit eine Vertiefung der Demokratie – ein absolut wesentlicher Aspekt unter dem Gesichtspunkt von Klima und sozialer Gerechtigkeit.

Ein weiterer vielversprechender Vorschlag ist der kostenlose öffentliche Verkehr, um die individuelle Motorisierung und die von ihr verursachten Emissionen drastisch zu reduzieren, die Verbetonierung durch Stoppen von Straßenverbreiterung zu verringern usw. All dies, ohne Bewegungsfreiheit zu einem Privileg zu machen.

Quim Puig. Ökosozialistischer Aktivist.

Robin Augsburger. Zivilist, Bachelor-Abschluss in Biologie und Ethnologie.

Quellen:

Klimastreik – Kanton Neuenburg, Texte der von der Bewegung lancierten Volksanträge und Kommentare [Webseite], https://neuchatel.climatestrike.ch/motions-populaires / 09.01.2020

Klimastreik – Kanton Waadt, Visionen, Ziele, Prinzipien und Massnahmen für ein wirklich nachhaltiges Klima, Ökosysteme und Zukunft, 2019 [verfügbar unter http://planclimat.org/ / 09.01.2020

Kleine Taten und grosse Reichtümer


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Aber wer bin ich, dass ich das kritisiere? Ein populistischer Ausrutscher, der nichts mit den Realitäten vor Ort zu tun hat. Ich schreibe Pflastersteine, die dazu dienen, die herrschende Klasse zu beschimpfen. Aber was mache ich ganz konkret im meinen Richtersohn Haus?

Weswegen spucke ich auf unsere Institutionen, obwohl wir das unerhörte Glück haben, von Menschen welche sich um unsere Umwelt kümmern vertreten zu werden? Kleine Taten, diese machen sie jeden Tag. Letztens haben sie sogar den Bundesrat recycelt! Und ich!? Ich verbringe meine Zeit auf meinem Handy, mehr Flammen auf Snapchat sammelnd als in gesamt Amazonien brennen. Was ist mein wirklicher Beitrag zur Überwindung der Klimakrise? Woher nehme ich mir das Recht in meinem Komfort zu verbleiben, währenddessen andere, ehrliche Menschen in ihren Privatjets fliegend auf eine Klimaanlage verzichten?

Aber genug von fraglichen Fabriolen kleiner Gesten. Es gibt auch Menschen, welche sich jeden Tag wirklich für unsere Umwelt die Hände schmutzig machen. Ein Vorteil kleiner Gesten bleibt, dass damit niemensch mit gutgemeinten moralischen Forderungen belästigt wird. Alle können auf ihrer eigenen Ebene und in allen Bereichen handeln (Ernährung, Transport, Wohnung, Kleidung…).

Ich versuchte ihnen gleichzumachen. Doch in unserer Überflussgesellschaft braucht es einen starken Willen um auf den ganzen Komfort zu verzichten! Starbucks, Mcdonalds, das Ferrari, dass ich mir mit 5 Jahren zu Weihnachten wünschte, das Wochenende in Amsterdam mit dem Flugzeug… Nicht einfach, all diese von der Werbung erfundenen Bedürfnissen zu ignorieren währenddessen ich lerne, dass die BNS 2019 etwa 7 Milliarden (Also ungefähr die Summe, die ich in meinen ersten 10’000 Leben verdienen werde) in fossile Energien investierte, der Präsident der ersten Schweizer Partei – im Nationalrat gewählt – seit 2016 ebenfalls ebenfalls die Öl und andere Brennstoffe Lobby SwissOil präsidiert und dazu das Schweizer Parlament sich weigert eine grüne Bundesrätin zu wählen unter dem Vorwand, der betroffene Bundesrat würde einer linguistischen Minderheit angehören. Müssen Polarbären denn erst Italienisch und lombardisch sprechen bis ihrem Schicksal von einigen Erwählten endlich Aufmerksamkeit geschenkt wird?

Ich bewundere den Mut von denjenigen, die ihre Zeit, Geduld und Energie für unser Ökosystem einsetzen, all dies nur um ihre Bemühungen ins Nichts verschwinden zu sehen. Ich könnte auf die dunkle Seite der Macht treten und alle Banker*innen erwürgen. Aber da die Tatsache, dass sie atmen mich nicht stört, ihre Investitionen in eine gefährlich unsichere Richtung jedoch sehr wohl, werde ich auf der leuchtenden Seite bleiben und jene Menschen beleuchten, welche im Kampf für das Klima “brüllen”.

Anstatt diesen Artikel zu schreiben hätte ich trinken, essen oder schlafen können, wie irgendein*e andere*r Prokrastinierende*r. Die Militant*innen von Extinction Rebellion wären sicher lieber Zuhause anstatt die Che Guevara und Rosa Parks auf den Hauptstrassen zu spielen, Greta wäre sicher entzückt wenn sie nicht mehr siebzigjährige Staatschef*innen bei jedem internationalen Zusammentreffen rügen müsste und endlich gelassen zurück in die Schule gehen könnte. Dieselbe Schule, die sich darum bemüht, uns das Präsens und Imperfekt zu lernen um uns auf zukünftige Kämpfe gegen Ungerechtigkeiten vorzubereiten. Denn es herrschen Ungerechtigkeiten. Diese von grossen Brocken der internationalen Ökonomie, die sich in ihre durch Fossile Energien gewonnenen Milliarden schnäuzen und um sich zu rechtfertigen die Schuld Individuen in die Schuhe schieben, welche in zahlreichen Fällen Mühe haben ihr eigenes Verhalten der Klimakrise anzupassen.Deshalb kritisiere ich. Damit man mich hört, damit all diese kleinen Hände, die jeden Tag ihr bestes für unsere Umwelt geben nicht von dem langen néo-liberalistischen Arm und seiner Dominanz über die Welt amputiert werden. Nichts werden wir in einem Fingerschnipsen lösen, aber Daumendrehen wird in keinem Fall eine 

Dr. Nils Jost, Anthropologe, Reptilianer, Reggae-Sänger, Philosoph und Jetsetter, von dem bekannt ist, dass er keine dieser Aktivitäten ausübt 19 Jahre alt, Single

Klimagerechtigkeit


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Was ist Klimagerechtigkeit?  Was beinhaltet diese genau? Und wieso ist sie eine der drei Forderungen des Klimastreiks? In diesem Artikel möchten wir diesen Fragen auf den Grund gehen.

Klima und Gerechtigkeit, auf den ersten Blick mag es seltsam erscheinen diese vermeintlich so unterschiedlichen Begriffe zusammenzubringen. Im Wörterbuch «Vocabolario Treccani» findet sich für Klima folgende Definition: «Das über einen längeren Zeitraum ermittelte Gefüge der meteorologischen Gegebenheiten, welche charakteristisch sind für den Jahresverlauf eines Ortes oder einer Region.» [1]. Gerechtigkeit hingegen wird definiert als eine « soziale Tugend, die sich durch den Willen auszeichnet, die Rechte, welche jedem aufgrund des Gesetzes und des Verstandes zugeschrieben werden, anzuerkennen und zu respektieren.» [2]. Während der erste Begriff einen Mechanismus beschreibt, welcher losgelöst von der menschlichen Existenz besteht, ist der zweite ein menschliches Konstrukt. Durch die Kombination der beiden entsteht ein neues Konzept, dessen Bedeutung jedoch nicht gerade offensichtlich ist. Aus diesem Grund werden wir in diesem Artikel den Begriff der Klimagerechtigkeit und seine Implikationen genauer beleuchten und versuchen einen Bezug zum aktuellen Kontext herzustellen. So wollen wir erklären, wieso dieses Prinzip ein Kernstück der Forderungen des Klimastreik Schweiz ist und worin genau dessen Anspruch besteht. 

Woher rührt der Begriff Klimagerechtigkeit

 Ursprung des Konzepts Klimagerechtigkeit ist die Erkenntnis, dass klimatische Veränderungen nicht nur einen Effekt auf die natürlichen Ökosysteme, sondern auch auf das menschliche Leben haben. Insbesondere gilt dies für Menschenrechte und sozioökonomische Gefälle. Denn diejenigen, welche von den gegebenen Strukturen profitieren und gleichzeitig am meisten zum Klimawandel beitragen, sind nicht dieselben, welche am stärksten von den Konsequenzen betroffen sind. Folge davon ist nicht nur ein Zuspitzen der existierenden, sondern zusätzlich die Entstehung von neuen Ungleichheiten. Klimagerechtigkeit bedeutet demnach, uns zu fragen, woher die Krise kommt, wer die Schuld dafür trägt und welche Verantwortungen sich daraus ergeben. Dadurch wird anerkannt, dass sich die Klimakrise nicht auf die Umweltdimension reduzieren lässt, sondern darüber hinaus auch ein ethisches, politisches und soziales Problem ist.

Wir haben festgehalten, dass klimatische Veränderungen die bestehenden Ungleichheiten verstärken und zudem neue Spannungsfelder kreieren werden. Diese lassen sich in drei Dimensionen analysieren: der Zeitlichen, der Räumlichen und der Sozialen.[3].

Die zeitliche Dimension beschreibt eine intergenerationelle Ungerechtigkeit. Damit ist gemeint, dass die Hauptverantwortlichen, also alle Generationen seit der Industrialisierung bis hin zu den Erwachsenen heute, den Konsequenzen der Klimakrise fast bis gar nicht ausgesetzt sein werden. Die Generationen, die wussten, aber dennoch nicht handelten, haben durch ihre Untätigkeit die Last eines Problems auf die Schultern zukünftiger Generationen abgewälzt, die für dessen Entstehung nicht verantwortlich sind. Je länger in der Starre der Untätigkeit anhält, desto gravierender werden die Folgen, welchen wir Jungen und vor allem zukünftige Generationen werden ins Auge blicken müssen. Deswegen ist sofortiges Handeln gefragt.

Gegenstand der räumlichen Dimension ist der Umstand, dass verschiedene Gegenden der Welt, sowohl unterschiedlich verantwortlich sind für die klimatischen Veränderungen als auch unterschiedlich stark davon betroffen sein werden. Gemeinhin werden jene die weniger zur Verschlimmerung der Krise beigetragen haben, deren Effekte extremer zu spüren bekommen. Die Beispiele dafür sind vielzählig: Die ozeanischen Atollen werden bald vom Meer verschluckt sein, in Indien werden die bereits jetzt zur Realität gehörenden tödlichen Hitzewellen und Wasserknappheit keineswegs verschwinden, sondern sich vielmehr noch verschlimmern. Ein weiteres trauriges Musterbeispiel ist Sub-Sahara Afrika, wo die Erde immer trockener und unfruchtbarer wird und so die dort angesiedelten Menschen zwingt sich umzusiedeln [6]. Die Migrationsfrage ist eine der wichtigsten Herausforderungen, welcher unsere Gesellschaft gegenübersteht und ihre Dringlichkeit ist sogar steigend in der Tendenz: Schätzungen gehen davon aus, dass der Klimawandel zwischen 120 Millionen und 2 Milliarden hervorbringen werden [7].

Wie die bereits existierenden sozioökonomischen Spaltungen durch Veränderungen des Klimas verstärkt werden, fängt die soziale Dimension der Klimagerechtigkeit ein. Die Hauptverantwortlichen der Krise sind auch jene, welche über mehr Ressourcen verfügen, um dieser zu begegnen. Denen, die sich aber bereits jetzt in einer sozioökonomisch benachteiligten Position finden, werden auch in Zukunft die Mittel fehlen, um den Herausforderungen begegnen zu können. 

Jede dieser Dimensionen verdeutlicht einen Aspekt des Klimawandels, welcher die Forderung nach Klimagerechtigkeit massgeblich antreibt: Während die desaströsen Folgen bereits wie bedrohliche Gewitterwolken über den Schwächsten schweben und mit voller Wucht über ihnen hereinbrechen werden, spüren die Krisen-Verantwortlichen noch nichts davon. 

Was bedeutet Klimagerechtigkeit? 

Die Essenz von Klimagerechtigkeit liegt in der Forderung, dass Policies und Projekte, welche die Klimakrise einzudämmen suchen, moralischen Prinzipien gerecht werden sollten, welche alle Personen in einer Weise behandeln, die fair und frei von Diskriminierung ist [4]. 

Aus dieser Definition geht eine grobe Vorstellung über die Bedeutung von Klimagerechtigkeit hervor, jedoch bleibt diese sehr vage und abstrakt. Um grundsätzlicher zu verstehen, was damit gemeint ist, werden wir die Bausteine unter die Lupe nehmen, die darin implizit sind [5]. 

Achtung und Schutz der Menschenrechte: Die Menschenrechte sind das Produkt von internationalen Übereinkommen und bieten eine klare rechtliche Basis. Sie sollten auch als Grundlage dienen für die Formulierung von moralisch angemessenen Antworten auf den Klimawandel. Antworten, die verwurzelt sind in Gleichheit, Gerechtigkeit und Respekt gegenüber der Menschenwürde. 

Unterstützung des Rechts auf Entwicklung: Die enormen sozioökonomischen Gefälle, sowohl zwischen Ländern des globalen Nordens und Südens, als auch innerhalb einzelner Staaten, ist eine der grössten Ungerechtigkeiten der heutigen Gesellschaft. Aufgrund des Scheiterns Ressourcen gerecht zu verteilen, wird es Milliarden verunmöglicht ein menschenwürdiges Leben zu führen. Doch obwohl die Klimakrise diese Unterschiede verstärken wird, bietet sie gleichzeitig auch die Möglichkeit eines Paradigmenwechsels hin zur nachhaltigen und respektvollen Entwicklung. Dies würde beinhalten, die Ärmsten in einer solchen Weise zu unterstützen, dass sie sich ebenfalls aktiv an den kollektiven Bemühungen zur Eindämmung und Anpassung beteiligen können.

Faire Verteilung der mit dem Klimawandel einhergehenden Vor- und Nachteile. Im Bezug auf klimatische Veränderungen ist es notwendig anzuerkennen, dass zum einen die Verantwortung gemeinsam, aber unterschiedlich ist (alle tragen einen Teil der Verantwortung mit, welcher jedoch stark in seiner Grösse variiert). Und zum andern, dass verschiedene Länder verschiedene Reduktionskapazitäten aufweisen, abhängig von den Ressourcen, die ihnen zur Verfügung stehen. Aus der Anerkennung dieser Gegebenheiten leitet sich ab, dass jene, welche am meisten für die Verschmutzung verantwortlich sind und gleichzeitig über die meisten Handlungsmittel verfügen, auch jene sein müssen, welche als erste ihre Emissionen reduzieren. Mit den Emissionen gingen und gehen zudem Wirtschaftswachstum und Gewinne einher, woraus für die Hauptprofiteure die moralische Pflicht erwächst, diese Vorteile mit denen zu teilen, welche massgeblich unter den Folgen leiden. Den Bewohnern von Ländern mit niedrigerem Einkommen sollte es möglich sein, sich an die klimatischen Veränderungen anzupassen und einen Entwicklungspfad einzuschlagen, der die Umweltauswirkungen minimiert. 

Partizipative, transparente und verantwortungsvolle Entscheide: Die Möglichkeit an fairen, verantwortungsvollen und korruptionsfreien Entscheidungsprozessen teilzunehmen ist fundamental. Darüber hinaus ist es unerlässlich, dass politische Massnahmen, die Stimmen der Verwundbarsten stark einbeziehen, um so ihre Bedürfnisse zu verstehen und angemessen anzugehen. 

Gleichberechtigung und Gleichstellung der Geschlechter: Aufgrund von Geschlechterrollen und patriarchalischen sozialen Strukturen erleiden Frauen Ungerechtigkeit, welche durch die Klimakrise noch verschärft werden. Vor allem in den ruralen Gebieten des globalen Südens ist dieses Phänomen ersichtlich. Denn in diesen Regionen haben die Frauen oft einen tiefen sozialen Status, sowie eine geringere politische und ökonomische Macht als Männer. Zudem spielen Frauen eine wichtige Rolle in der Landwirtschaft und sind generell stärker von Armut betroffen. Als Folge davon sind sie stärker den Veränderungen ausgesetzt, welche der Klimawandel hervorbringt. In vielen Ländern gehören Frauen zu den Hauptbetroffenen von klimabedingter Ungerechtigkeit, wodurch sie eine aktive Rolle in einem Wandel innerhalb der eigenen Gemeinde einnehmen können. Unter Anderem deswegen muss der Stimme der Frau Gehör verschafft und Gewicht gegeben werden. [3]. 

Transformatorisches Potenzial von Bildung: Durch Bildung können kulturelle Nomen verändert, die Umsetzung der oben beschriebenen Prinzipien iniziiert und als Konsequenz davon Klimagerechtigkeit gefördert werden. Grundlegende Änderungen in Lebensstil und Verhaltensweise werden erforderlich sein. Bildung hat die Macht künftige Generationen mit den erforderlichen Kompetenzen und Kenntnissen auszustatten, auf welche sie angewiesen sein werden, um in diesem Wandel zu überleben und zu florieren. 

Effektive Zusammenarbeit: Um klimawandel-bedingte Schäden zu begrenzen, müssen sowohl auf Staatsebene wie auch auf internationalem Niveau Massnahmen ergriffen werden. Damit diese erfolgreich koordiniert und wirksam ausgestaltet werden können, erfordert Klimagerechtigkeit, dass Ressourcen und Fachwissen weltweit geteilt werden. Internationaler Kooperation kommt demnach eine Schlüsselrolle bei der Bewältigung des Klimawandels zu.

Die Verwirklichung dieser Prinzipien erfordert eine Überwindung der Logik von Egozentrismus und Gier, welche leider aktuell die globale politische Landschaft kennzeichnet. Diese führt dazu, dass jeglicher Versuch die durch den Klimawandel verursachten Schäden zu begrenzen, zum Scheitern verurteilt ist. Die Menschheit fährt in einem Zug, der mit einem halsbrecherischen Tempo auf den Abgrund zurast. Auf der ganzen Welt erheben Kinder ihre Stimmen, damit endlich die Notbremse gezogen wird: Hören wir auf sie!

Wieso ist Klimagerechtigkeit eine Forderung des Klimastreiks? 

Eindeutige Beziehungen zwischen den Ursachen und Auswirkungen des Klimawandels herzustellen ist kein einfaches Unterfangen und in einer derart komplizierten Welt lässt sich das Prinzip «Der Verschmutzer zahlt» nur selten mit Erfolg anwenden [3]. Dennoch kämpft der Klimastreik für ein System, welches die Herausforderungen der Klimakrise fair und moralisch anpackt. Anpackt auf eine Art und Weise, welche den Respekt vor Natur und Mensch in Einklang zu bringen vermag. Dies erfordert präzise Richtlinien und Regeln, sodass Unterschiede geschmälert und Ungerechtigkeiten kompensiert werden können. Genau darum geht es bei der Klimagerechtigkeit. Sie beschreibt weniger ein statisches Ziel, als eine Methode, mit welcher die Klimakrise angegangen werden kann. Ein Lösungsprozess, welcher Klimagerechtigkeit respektiert, ist ein Prozess, der Menschenrechte berücksichtigt, die Schwächsten unterstützt und transparente Entscheidungen hervorbringt. Deswegen fordert der Klimastreik, neben der CO2-Neutralität bis 2030 und der Erklärung des Klimanotstands, dass die Schweiz, ihre Umweltpolitik gemäss dem Prinzip der Klimagerechtigkeit weiterentwickelt. Dies bedeutet auch, dass jede und jeder von bei der Wahl von politischen Vertreter*innen für diese Forderung einstehen sollte. 

Was wird gemacht um Klimagerechtigkeit zu realisieren?  

(Fast) alle Staaten haben den Klimawandel als Realität anerkannt und die Vorstösse der Vereinten Nationen und des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change, das Organ der UN mit dem Ziel der Analyse und Bewertung des aktuellen Stands der Klimaforschung), welche zum Pariser Klimaabkommen und diversen internationalen Konferenzen (COP) geführt haben, versuchen eine globale Antwort auf die klimabedingten Ungerechtigkeiten zu geben. Aber die aktuellsten Ereignisse zeichnen einmal mehr die ernüchternde Bilanz auf: Die COP 25 verstrich, ohne dass es eine Einigung über auch nur einen der wichtigsten Artikel des Pariser Klimaabkommens gegeben hätte. Einmal mehr haben die Interessen der fossilen Industrie triumphiert über den Druck der Wissenschaft und der Aktivist*innen, welche fordern, dass ehrgeizigere Pläne zur Reduktion verabschiedet werden. Sowohl Antonio Gutierrez, der Generalsekretär der UNO, sowie Great Thunberg, Greenpeace und andere Umweltverbände sind enttäuscht von den Ergebnissen der Konferenz. Gutierrez bestätigte: «Die internationale Gemeinschaft hat eine wichtige Gelegenheit verpasst, mehr Ehrgeiz bei der Bewältigung der Klimakrise zu zeigen, sowohl in Sachen Eindämmung, Anpassung als auch Finanzierung. Aber wir dürfen nicht aufgeben» [8].

Dass es Lösungen gibt, zeigt uns die Wissenschaft. Was heute fehlt, ist der politische Wille, diese umzusetzen. Zum einen, weil gewaltige ökonomische Interessen im Spiel sind und zum andern, weil ein radikaler Systemwandel kein Sonntagsspaziergang ist und Engagement voraussetzt. Deswegen ist es essenziell, dass die Bürger*innen der ganzen Welt auf die Strasse gehen und sich vereinen. Dass wir unsere Stimmen hörbar machen und gemeinsam fordern, die Augen nicht länger vor der Klimakrise und den Ungerechtigkeiten zu verschliessen.  

Ismea Guidotti (19), Studentin der Internationalen Beziehungen und Klimastreikende

Matilda Sangiorgi (19), Studentin der Internationalen Beziehungen

Massimo Chiaia (48) Informatik-Ingenieur und Mitglieder der «Eltern für das Klima»

Quellenangaben

[1] Vocabolario Treccani (n.d.). Clima. http://www.treccani.it/vocabolario/clima1/

[2] Vocabolario Treccani (n.d.). Giustizia. http://www.treccani.it/vocabolario/giustizia/

[3] Arlati, Michèle et al. Ein umfassendes Problem: die Klimakrise ist eine soziale Krise [Un problema globale: la crisi climatica è una crisi sociale]. In: netto.null. Maggio 2019. PP. 34-37.

[4] Bartholomew, Shannon. What does climate justice mean to you? In: HuffPost. Dicembre 2017. https://www.huffpost.com/entry/what-does-climate-justice_b_8745372 (Traduzione propria)

[5] Mary Robinson Foundation – Climate Justice. Principles of Climate Justice. Luglio 2011. https://www.mrfcj.org/principles-of-climate-justice/

[6] Cinini, Giancarlo. I migranti del clima dal Sahel all’Italia. In: Galileo. Marzo 2019. https://www.galileonet.it/migranti-del-clima/

[7] Steinberger, Julia. Climate emergency: scientific reality, necessary action. [PowerPoint Presentation]. Agosto 2019. Materiale presentato alla conferenza SMILE a Losanna (Svizzera).

[8] Fraioli, Luca. Cop25, rimandato il nodo delle emissioni: fallita la conferenza di Madrid. L’Onu: «Un’occasione persa». In: la Repubblica. December 2019. https://www.repubblica.it/ambiente/2019/12/15/news/cop25_rimandato_il_nodo_delle_emissioni_greta_non_ci_arrenderemo_-243530321/?ref=RHPPLF-BH-I243531961-C8-P4-S1.8-T1